Färör Insel
16.9.2013, Montag, Midvagur - Hallo von den Färöern aus!
Zwei Dinge möchte ich erstmal vorab kundtun:
Erstens den weiteren Routenverlauf: nach vielen Überlegungen und Gesprächen mit Grönland- Seglern, speziell in Akureyri, habe ich mich entschlossen, den angedachten Plan einer Atlantikrunde über Grönland, Kanada, Bermuda und Azoren aufzugeben. Ich bin einfach eine Kupplung und einen Anlasser zu spät dran, die Wetterverhältnisse verschlechtern sich zum Herbst sehr schnell rund um Grönland. Und die Verzögerung war auch nicht wirklich aufzuholen, wenn man sich Zeit nimmt zu Besichtigungen, wie ich es getan habe. Aber was wäre auch der Sinn einer solchen Tour, wenn man an den Sehenswürdigkeiten vorbeisegeln würde? So bin ich nun auf dem Rückweg wieder auf den Färöern gelandet bei Oluffa und Hans, die mich erneut mit viel Herzlichkeit in ihr Haus aufgenommen haben – Widerstand zwecklos! Als „Plan B“ wird’s nun zurück gehen auf der ungefähren Route der Herfahrt, und zwar bis Südwestengland, dann Frankreich entlang bis eventuell Spanien/Portugal, soweit Süd wie möglich eben für die Winterzeit. Zweitens die Ansicht der Bilder: Renate hat die Webseite nun „umgebaut“, so dass man die Bilder vergrößert betrachten kann, einfach drauf klicken. Hiermit ein Dankeschön dafür! Aber nun zum Bericht selber:
4.9.2013, Sonntag, Reykjavik.
Am Vormittag ist Aufbruch Richtung Vestmannaeyjar, den Westmänner- Inseln. Der Wetterbericht verspricht optimale Verhältnisse für diese Etappe, und das Wetter hält sich an die Vorhersage. Somit habe ich eineinhalb Tage und eine Nacht Traumsegeln: Windrichtung stimmt, Windstärke stimmt, Wellengang ist moderat. Die Nacht ist sternenklar, ich weiß nicht, wann ich so was zuletzt hatte. Und im Nordwesten kann ich ganz leicht Polarlicht entdecken, allerdings „nur“ in schwarz/weiß. Montag Mittag taucht die Silhouette der Inseln am Horizont auf, und gegen Abend kann ich in Heimaey an einem Schwimmsteg festmachen (63 26'38''N, 20 16'12''W). Zuvor brist es nochmal richtig auf, zumal ich zwischen einer Insel und der Hauptinsel ordentlich Düseneffekt mitbekomme, aber ohne Probleme, da die Böen in meine Richtung blasen. Ich hatte allerdings vorsichtshalber die Segel schon vor dieser Durchfahrt gerefft. Nach dem Anlegen kommt auch schon ein Hafenmitarbeiter angefahren, um meine Daten aufzunehmen. Ja, der Liegeplatz ist OK, und nein, dies ist nicht mein „Port of Entry“. Diese Frage ist berechtigt, denn viele Yachten starten ihre Island- Tour hier, und damit haben sie hier die Zollformalitäten zu erledigen. Ich hingegen bin ja schon seit vier Wochen einklariert und kann somit gleich einen ersten Landgang unternehmen.
Von überall im Ort kann man auf den
erkalteten, hohen Lavafluß, der 1973 viele Häuser unter sich begraben
hat, sehen. Die Eruption begann mitten in der Nacht und dauerte ungefähr
fünf Monate. Es kam dabei niemand körperlich zu Schaden, auch weil wegen
schlechtem Wetter die Fischereiflotte im Hafen war. Die ganze Insel
wurde mithilfe der Flotte mit der Zeit zum Festland evakuiert, auch die
meisten Habseligkeiten wurden verfrachtet, angefangen von Vieh über
Autos bis hin zum Hausrat wie Waschmaschine oder Kühlschrank. Zeitweise
wurde befürchtet, dass der Lavastrom die Hafeneinfahrt verschließt.
Nachdem ein erster Versuch, durch Wasserbeschuss den Lavastrom zu
stoppen, erfolgreich war, wurden massiv Pumpen installiert, die in den
folgenden Wochen über 6 Millionen Kubikmeter Wasser auf die Lava
pumpten. Es gelang tatsächlich, die Hafenzufahrt offenzuhalten, der
Hafen ist durch die Lava, die so nur zum Teil in die Einfahrt geflossen
ist, jetzt sogar besser geschützt als vorher. Nachdem die Eruption als
beendet erklärt worden war, kamen viele, aber nicht mehr alle Bewohner
zurück. Meterhohe Asche bedeckte alles, der Friedhof z.B. war unter 2
Metern Asche begraben. Viele Dächer hielten den Aschemengen nicht stand
und stürzten ein. Mithilfe unzähliger Freiwilliger aus ganz Island und
dem Ausland gelang es, die Asche auf dem Ort zu verfrachten. Und die
findigen Einwohner installierten ein System, um die Hitze des Lavastroms
zur Heizung ihrer Häuser und zur Warmwasserbereitung zu nutzen. Dieses
System war 10 Jahre lang in Betrieb, erst dann wurde die weitere Nutzung
unwirtschaftlich. Im Heimatmuseum gibt es einen mit Auszeichnungen
versehenen Film über die Eruption zu sehen. Ich besteige sowohl den
alten Krater Helgafell als auch den 1973 entstandenen Krater Eldfell.
Die Aussicht auf die Insel und den Ort lohnt die kleine Mühe, beide
Krater sind nur etwas über 200 Meter hoch.
Geschichtlich war schon immer was los hier. Zu Beginn der Besiedelung
durch die Wikinger im Jahre 874 flüchteten mordende irische Sklaven auf
die Insel. Aus dieser Zeit stammt der Name, denn Iren waren aus
Wikinger- Sicht „Westmänner“. 1627 fanden algerische Piraten den Weg bis
hierher, massakrierten Teile der Bevölkerung und nahmen über 200
Bewohner mit nach Algerien,wo sie versklavt wurden. Es gab Bestrebungen,
diese Leute freizukaufen, aber nur 13 fanden wirklich zurück nach
Vestmannaeyjar. Diese Begebenheit ist unter dem Begriff „Türkenraub“
bekannt. Südlich der Inseln entstand durch einen unterseeischen
Vulkanausbruch von 1963 bis 1967 die Insel Surtsey. Betreten ist streng
verboten, sie dient von Anfang an der Wissenschaft, die hier erforscht,
wie sich Fauna und Flora auf neu gebildetem Land entwickeln.
Mein als OK bezeichneter Liegeplatz blockiert die Tankstelle. Für die Seefahrer hier aber kein Problem, die Leute von der „Ribsafari“ legen an meinem Boot an, der Schlauch wird über den Bug gereicht, alles kein Aufreger. So komme auch ich noch zu Sprit, denn die Hafen- Zapfsäulen in Island können nur mit einer speziellen Karte benutzt werden, die der normale Tourist nicht besitzt. Aber ich kann mithilfe der Ribsafari- Leute auffüllen, bezahlt wird in bar. Und Wasser wird auch gleich noch ergänzt. Ribsafari nennt sich die Unternehmung, mit einem Schlauchboot mit Hartschale mit bis zu 100 km/h auf dem Meer unterwegs zu ein. Ich erfahre, dass die Boote in Polen gebaut werden, sie sind mit zwei Motoren mit jeweils 400 PS ausgerüstet. Damit werden Ausflüge zu den kleineren Inseln unternommen, und auch Surtsey kann umrundet werden. Am Nachmittag mache ich mich über die große Deckluke, die immer wieder Wasser hereintropfen lässt. Die alte Dichtmasse wird herausgefummelt, der Rahmen und die Kante der Scheibe gereinigt, so gut ich eben hinkomme, und dann fülle ich den Spalt mit Silikon wieder auf. Ich hoffe, dass bei ca. 10 °C das Silikon ausreichend abdichtet. Wieder mal nicht wirklich mit professionellem Anspruch ausgeführt, aber ich lasse das mal unter Notreparatur laufen.
8.9.2013, Sonntag, Heimaey.
Die Wettervorhersagen versprechen nun passende Verhältnisse für die Überfahrt zu den Faröern. Dies wird die längste Strecke über offenes Wasser sein, die ich bisher zurückzulegen hatte: ca. 380 Seemeilen. Um 13:45 motore ich aus dem Hafen, draußen ist ein „Wellensalat“, entstanden durch das Zurückbranden der Seewellen an den steilen Ufern der Inseln aus allen möglichen Richtungen. Aber mit mehr Abstand verlasse ich diesen Bereich, und bald sind nur noch die Seewellen zu spüren. Der Wind bläst mit ca. zwei Beaufort aus südwestlicher Richtung, so komme ich gut gegen Osten voran. Um Mitternacht liegen bereits 44 Seemeilen im Kielwasser. Im Laufe des Montags schaffe ich das bisher beste Etmal meiner Tour: 134 Seemeilen in 24 Stunden. Der Wind hat ein bisschen zugelegt und kommt mittlerweile mehr aus Westen. Bedeckter Himmel, nur durch winzige Löcher ist hin und wieder blauer Himmel zu erspähen. Die Nacht ist bei der Bewölkung pechschwarz, nicht ein einziger Lichtschein ist zu entdecken, so etwas ist man nicht gewohnt, der Mond ist als Neumond auch keine Hilfe. Der Dienstag beschert eine dreistündige Flaute, um Mitternacht kann ich als Tagesstrecke trotzdem noch 95 Seemeilen eintragen. Mittwochs habe ich nach morgendlichen fünf Beaufort um die Mittagszeit fast Flaute, dann Winddrehung nach Süd mit leichten zwei bis drei Beaufort. Um Mitternacht sind als Etmal 102 Seemeilen zurückgelegt. Donnerstags wird der Wind immer stärker, aber ich bin ja auch schon vor der Hafeneinfahrt von Midvagur auf der Insel Vágar, und um 10:00 werden die Leinen am Schwimmponton festgemacht (62 02'41''N, 7 10'56''W, immer noch kein scharfes Bild für diese Koordinaten). Ich werde bereits von Oluffa und Hans hier erwartet, hatte ich doch meine ungefähre Ankunftszeit per SMS mitgeteilt. Die Ankunft war just-in-time, denn ab den nächsten Stunden ist wirklich schlechtes Wetter mit Starkwind angesagt, das wäre, noch unterwegs, wirklich unangenehm! Mal wieder ein paar Daten aus dem Logbuch: seit Holland zurückgelegte Seestrecke: 4048 Seemeilen, Motorstunden 172 h.
Bei diesem Datum sollte man sich von der
Seefahrt fernhalten! Wir machen einen Ausflug mit dem Auto zu einigen
Sehenswürdigkeiten, unter anderem zu dem „Kalender-“ Hafen der Färöer in
Gjógv auf Eysturoys. Ich habe den Hafen schon öfter in Kalendern und
Büchern gesehen. Der Hafen liegt in einer Felsspalte und besitzt ein
steiles Schienensystem, um die Boote bei Sturm an höhergelegenes Land zu
ziehen. Angeblich ist ja Ginostra auf der Insel Stromboli der
weltkleinste Hafen, aber nach Besichtigung von Gjógv bin ich mir da
nicht mehr so sicher, ob das richtig ist. Weiter geht’s zu der
ehemaligen Hafenbucht von Saksun auf Streymoy. Ehemalig deswegen, weil
in einer einzigen Sturmnacht durch Sandverfrachtung die Einfahrt
ausgefüllt wurde. Sie ist seitdem für Schiffe nicht mehr passierbar.
Soviel für dieses Mal! Für Dienstag könnte das Wetter für das Weitersegeln nach Schottland passen, dann heißt es Aufbruch für die zweite längere Strecke über offene See, die aber mit ca. 250 Seemeilen wesentlich kürzer als die erste ist.
Bilder: Blick auf Heimaey vom Helgafell- Krater, im Ort Heimaey mit Lavafluss im Hintergrund, ehemalige Hafenbucht Saksun, Hafen Gjógv, die gelben Ribsafari- Boote.