Island
23.8.2013, Freitag, Bíldudalur.
Nach dem Besuch des Seemonstermuseums werden noch ein paar Vorräte ergänzt. Auch das Internet im Museum wird noch für E-Mails und dem Update der Homepage genutzt, dann lege ich um 20:10 ab. Die Windvorhersage scheint günstig für den Trip nach Ólafsvík. Leider hat der Wind die Vorhersage nicht gelesen, er kommt mir direkt entgegen oder er schläft ganz ein. So starte ich zwischendurch den Motor, um voranzukommen. Als ich gegen Mitternacht aus dem Fjord heraus bin, habe ich direkten Gegenwind: Südwest. Ich versuche, dagegen aufzukreuzen, aber die Am- Wind- Eigenschaften des Bootes sind halt nicht die Besten, und nördliche Strömung habe ich obendrein, so dass ich eigentlich nur hin- und hersegle, aber keinen Gewinn nach Südwest mache. Bis ca. 14:00, dann lasse ich es sein und segle zurück nach Bíldudalur. Festmachen wie gehabt um 20:05.
25.8.2013, Sonntag, Bíldudalur.
Nach dieser „Schneiderfahrt“ schlafe ich erst mal aus, bei dem Regen kann ich das besonders gut. Keine brauchbaren Winde sind angesagt, so mache ich mich über die Reparatur des Autoradios. Seit zwei oder drei Wochen höre ich die gleiche CD, weil der Auswurfknopf nicht mehr funktioniert. Wie sich herausstellt, wird dieser nur durch seine zwei winzigen SMD- Pin's gehalten. Da habe ich einen glatt „weggedrückt“. Wird neu verlötet und mit 2- Komponenten- Kleber zusätzlich fixiert, das sollte für die Zukunft halten. Nach diesem Erfolg mache noch mich gleich noch über den KW- Receiver, bei dem plötzlich acht Tasten versagen. Nach einer Internetrecherche und dem Herunterladen eines Servicemanuals (Kenwood sei Dank geschuldet) finde ich eine Unterbrechung einer Leiterbahn heraus. Wo genau, bleibt im Dunklen, ich verlege einen Draht als Brücke, somit ist auch dieses Gerät wieder einsatzbereit. Erstaunlich, dass sich der Lötkolben als nützlichstes Werkzeug in der Rangliste positioniert! Der abends empfangene Wetterbericht lädt für morgen Mittag zum Ablegen ein.
26.8.2013, Montag, Bíldudalur.
Nachdem ich gestern zwei Geräte repariert habe, geht heute, als ich meinen Petroleumofen auftanken will, der Tankverschluss „entdrei“. Genau drei Teile, eines jetzt natürlich im Tank. Zwei Metall- Teile wurden, wie jetzt ersichtlich, durch drei „kalte“ Schweißstellen zusammengehalten, das dritte Teil ist ein Dichtring zwischen den zwei anderen. Diese Reparatur wird erst mal verschoben. Um 13:10 ablegen, aus dem Fjord komme ich diesmal ganz gut raus, aber draußen wieder südwestliche Winde, also aus der Richtung, in die ich will. Wenigstens der Strom ist nicht gegen mich, so mache ich ein bisschen gut nach Südwest. Endlich am Dienstag Mittag dreht der Wind auf West und bläst zur Begrüßung gleich mal mit 5 Bft. Dafür habe ich jetzt zu viel Segel draußen und kämpfe nun wieder mal die Segelfläche klein. Gegen 16:00 flaut der Wind ab und dreht zugleich zurück nach SW, aber nun passt es mir nach Ólafsvík rein. Um Mitternacht lege ich am Reifenkai an (64 53'49''N, 23 42'18''W), d.h. wieder mal eine Nacht mit Unterbrechungen: Kontrolle der Festmacher und Fender zur Kaimauer wegen des Tidenhubs von gut 3 Metern. Am Morgen melde ich mich beim Hafenmeister wegen des Liegeplatzes, der meint, ich soll an einem Fischtrawler längsseits gehen, an meinem jetzigen Platz wird ein großes Schiff erwartet. Mir soll's recht sein, brauche ich mir wegen des Tidenhubs keine Sorgen mehr zu machen. Über die Tourist- Info organisiere ich mir eine private Auto- Rundtour mit Herrn Vatn über die Halbinsel Snæfellsnes und dem vergletscherten Stratovulkan Snæfellsjökull. Laut Jules Vernes „Reiseführer“ gelangt man durch dessen Krater zum Mittelpunkt der Erde. Ich kann das nicht nachprüfen, in den drei Tagen, in denen ich im Umkreis des Vulkans war, konnte ich nicht ein einziges Mal den Gipfel sehen: Regen, Nebel usw. Auch die Rundfahrt war dadurch beeinträchtigt, leider.
29.8.2013, Donnerstag, Ólafsvík.
Bei Regen findet um 12:30 das unspektakuläre Ablegemanöver statt: Abdrücken vom Dickschiff, fertig. Mit Motor fahre ich ungefähr eineinhalb Stunden, um die Batterien zu laden, Segelwind herrscht auch noch keiner. Passend mit dem Ende des Ladevorgangs kommt Wind auf, so heißt das Kommando „Segel setzen“ und die Maschine verstummt. Um 16:25 runde ich das Kap Öndverdarnes (64 54'50''N, 24 09'46''W). Nachdem der Wind immer flauer wurde, ist er um 21:00 ganz eingeschlafen. Nur Wellen und Dünung sind übrig und lassen die Segel schlagen. Erst gegen 23:00 kommt ein Hauch von Wind zurück, der aus nordwestlicher und westlicher Richtung am nächsten Tag bis nachmittags ordentlich zulegt. Währen der Nachtstunden ist mal wieder der Klabautermann an Bord aktiv: plötzlich brennt im Bad das Licht! Als ich es ausschalten will, wird’s erst richtig hell. Da ist irgendwas mit dem Schalter, ich muss die Glühbirne rausschrauben. Als ich den Deckel entferne, kommt mir schon Wasser entgegen, somit ist die Sache klar: Wasser und Strom mögen sich nicht, aber repariert wird das erst später. Um 14:00 bin ich in der Hafenzufahrt von Reykjavík mit 6 Bft. auflandigem Rückenwind. Jetzt nur keinen Fehler machen zwischen den vorgelagerten Inseln, ein Umkehren ist schier unmöglich. Aber dank Kartenplotter ist es kein Problem, den eigenen Ort zu wissen und die in den Wellen tanzenden Bojen auszumachen. Unter diesen Bedingungen sind diese schwer zu finden, mithilfe des Plotters weiß man wenigstens, in welcher Richtung man suchen muss, und wenn sie da sind, wo sie sein sollen, ist das schon beruhigend! Um 14:20 lege ich am Steg vor dem berühmten Konzerthaus HARPA an, zwei Franzosen helfen bei dem „windigen“ Manöver (64 09'06''N, 21 55'57''W). Nach einer Siesta besuche ich der/die/das(?) HARPA: unendlich viel Glasfassade in Wabenoptik, jede „Wabe“ kann offenbar individuell ausgeleuchtet werden, innen viel luftiger Freiraum in dem, was sich Treppenhaus nennen könnte, und die Decken würfelförmig verspiegelt. Es gibt mehrere Läden, ein Café/Bistro und ein Restaurant, mehrere Konzertsäle und viele sogenannte Meetingräume.
31.8.2013, Samstag, Reykjavík.
Starte einen Stadtbummel und buche dabei spontan eine Bustour durch den „goldenen Zirkel“ für Nachmittag, wetterbedingt. Nur heute soll es sonnig sein, die nächsten Tage aber regnen. So geht’s um 13:00 los Richtung UNESCO- Weltkulturerbe „Þingvellir“, zum Wasserfall „Gullfoss“ und zum Geysir „Geysir“. Am Þingvellir fand im Jahr 930 die erste Alþingiversammlung der Goden des Landes statt, eine Art frühes Parlament. Erst 1789 wanderte dieses Parlament nach Reykjavík. Der goldene Wasserfall Gullfoss zählt zu den schönsten des Landes, in zwei Stufen von 11 und 21 Metern und einer Flußrichtungsänderung von 90 Grad fällt das Wasser. Und zum Geysir muss man nicht viel sagen, das kennt man schon. Vielleicht soviel, dass der Geysir „Geysir“ allen Springquellen seinen Namen gab und er selbst zur Unterscheidung deshalb „Stóra-Geysir“ heißt. Und seit einem Erdbeben gar nicht mehr aktiv ist, dies ist aber sein Nachbar, der Strokkur, welcher in schöner Regelmäßigkeit eine mehr (30 Meter) oder weniger (paar Meter) hohe Wasserfontäne in die Luft schießt. Diese Bustour ist wirklich nur ein extremes Kurzprogramm für die Gegend, allein hier könnte man Wochen verbringen mit Wanderungen und Besichtigungen. Immerhin ist das Gebiet Þingvellir auch Bestandteil der tektonischen Spalte zwischen Europa und Amerika: ein Bein in Europa, das andere in Amerika, wo hat man das sonst noch? Aber nach fünf Stunden und 280 Kilometern ist man wieder zurück. Nach der Rückkehr in die Stadt mache ich noch einen kurzen Bummel durch die Straßen und zur Hallgrímskirkja, der alles
überragenden Betonkirche auf einem Stadthügel. Leider geschlossen um diese Zeit. Dafür hat der Hotdog- Stand noch auf, wo auch schon der damalige Präsident Clinton eine Wurst verdrückt hat. Angeblich die Besten der Stadt, ich weiß nicht so recht, bin aber auch kein Experte in Sachen Hotdog.
1.9.2013, Sonntag, Reykjavík.
Heute erst mal Waschtag. Die Waschmaschine und der Trockner dürfen kostenlos benutzt werden, das muss ich ausnutzen. Während die Wäsche rotiert, repariere ich die Badlampe: der Schalter ist durch den Wassereinbruch total verrottet, er stand wohl schon länger unter Wasser. Neben einem neuen Schalter habe ich noch ein Wasserablaufloch angebracht, damit wenigstens das meiste Nass wieder heraus kann. Wo es reinkommt, da bin ich nicht drauf gekommen, Wasserspuren sind keine zu sehen. Schaue dann mal zum Flohmarkt, der jedes Wochenende in einer großen Halle am Hafen stattfindet. Ist aber kein klassischer Flohmarkt, wie man das bei uns kennt, sondern eher normale Verkaufsstände, hauptsächlich Klamotten und Schuhe. Komme vor einem kräftigen Schauer grad noch heim. Nach dem Wolkenbruch schaue ich noch in die 871±2 Ausstellung, es sind die Reste eines Langhauses aus dem 10. Jahrhundert zu sehen, mit viel guter Multimedia ergänzt, die das damalige Leben darzustellen versucht.
Heute Wandertag, das Ziel Perlan ist ein bisschen außerhalb des Stadt, dort will ich das Saga- Museum anschauen, Thema sind hier ebenfalls die Anfänge der Siedlungsgeschichte, wichtige Stationen sind mit lebensgroßen Puppen in Szenen dargestellt. Die Ausstellung ist im Keller, ebenerdig sind 6 riesige Warmwassertanks für die Versorgung der Stadt, deshalb auch auf einem Hügel, der zudem eine schöne Aussicht bietet. Oberhalb der Wassertanks ist ein Drehrestaurant, das sich innerhalb von 90 Minuten einmal dreht. Hat aber nur zur Abendzeit geöffnet, soll aber laut English CNTV das Beste von 10 bewerteten Drehrestaurants der Welt sein. Auf dem Weg zu Perlan schaue ich noch in die Hallgrímskirkja und auf deren Turm. Sie ist innen genauso kahl und nüchtern wie von außen, beeindruckend ist die 25 Tonnen schwere und 15 Meter hohe Orgel. Vom Turm aus hat man eine weitreichende Sicht über die Stadt und das Umland. Auf dem Rückweg noch ein neuzeit- geschichtsträchtiges Gebäude: das Höfði- Haus, in dem 1986 Reagan und Gorbatschow „gipfelten“. Als Abendessen ist heute Wal vorgesehen, in der Stadt habe ich ein Restaurant entdeckt, in dem es ein sogenanntes Wal- Menü gibt: Hummersuppe, Walfleisch als Pfeffersteak zubereitet und zur Nachspeise Eis mit Skyr, insgesamt sehr lecker.
3.9.2013, Dienstag, Reykjavík.
Das Nationalmuseum wartet noch auf meinen Besuch, dieser steht heute auf dem Programm. Auch hier die Anfänge der Besiedelung durch die Wikinger, später die Christianisierung, die hier ohne großes Aufsehen auf einem Alþingi beschlossen wurde, mit ein paar genehmigten Ausnahmen zur weiteren Anbetung der bisherigen Götter, bis zur Entwicklung des professionellen Fischfangs und weiter in die Neuzeit, in der sich Island als ein modernes und fortschrittliches Land sieht. Als vollkommenes Kontrastprogramm dazu noch ein Besuch im Phallus- Museum, wahrscheinlich dem einzigsten weltweit, gegründet von einem Professor. Dieser hat bisher 217 Ausstellungsstücke zusammengetragen von fast allen Land- und Meeressäugetieren Islands.
Damit beende ich diesen Bericht!
Bilder: Gullfoss- Wasserfall, Harpa, Perlan, Strokkur in Aktion, Hallgrímskirkja
Zurück aus den einsamen Westfjorden kann ich meinen Bericht auf die Reise schicken, die Zivilisation hat mich wieder!
Heute besuche ich das Luftfahrtmuseum und das Motorradmuseum. Ersteres stellt die Geschichte der isländischen Luftfahrt in Bildern und wenigen Segelfliegern dar, daneben gibt es auch moderneres Fluggerät: Düsenflieger der Coast Gard, Wasserflugzeuge, Hubschrauber, einen verwegen ausschauenden Gyrokopter und diverse Einzelteile, z.B. ein Triebwerk von Rolls Royce. Das Motorradmuseum hat der Neffe des Motorradenthusiasten Heiðar Jónsson aufgezogen, da dieser selbst bei einem Motorradunfall ums Leben kam und diesen seinen Traum nicht mehr verwirklichen konnte. Übergreifendes Thema ist 100 Jahre Motorräder in Island, und da sind auch seltsame Gefährte dabei: ein kurioser Eigenbau, bei dem einzig ein BMW Motor als fertiges Teil verwendet wurde, bereits das Getriebe ist Eigenbau, oder ein Holz- Motorrad. Auch eine Hercules W2000 mit Wankelmotor, nur 1820 Stück wurden davon gebaut. Oder eine der Geländemaschinen in der Ausstattung, mit der zwei Isländer die Welt umrundeten, durch Nordamerika, Alaska, Sibirien, Europa. Für einen Motorradfan bestimmt eine Fundgrube, für mich, der mit Motorrädern weniger „am Hut hat“, aber auch interessant, weil zu jedem Bike ein bisschen Geschichte dabeisteht. Da ich noch Zeit habe, gehe ich auch noch ins nebenan gelegene Industriemuseum. Dieses zeigt die industrielle Geschichte von Akureyri und Umgebung. Natürlich Fischverarbeitungsmaschinen, aber auch Schneiderei- und Strickmaschinen und viele andere diverse Gegenstände, Maschinen und Handwerkzeuge. Nach soviel Kultur bleibt bei mir heute die Küche kalt, ich nehme mir eine Pizza mit „nach Hause“. Nach einer Siesta möchte ich das Hecklicht reparieren, das seit einiger Zeit nicht mehr leuchtet. War bisher egal, weil ja eh immer hell, aber jetzt wird’s nachts wieder richtig dunkel, und da sollte das Teil funktionieren. Leider übersehe ich eine Schraube, und so mache ich das Gehäuse kaputt, als ich es mit Gewalt öffne. Es war aber auch viel Silikon herum, ich dachte, das klebt irgendwo noch zusammen. Jetzt hoffe ich, dass ich mit viel 2- Komponenten- Kleber (den ich erst noch besorgen muss!) das Ganze wieder flicken kann. Und was war ursprünglich defekt? Es ist eine LED- Lampe drin, die nicht mehr leuchten will, der Bajonettsockel ist ganz locker, und einige LED's sind wesentlich dunkler als die restlichen. Wenn ich reinkomme zu der Platine, werde ich die Lötstellen nachlöten, vielleicht hilft es, einige schauen „kalt“ aus. Immer dieser moderne elektronische Kram mit seiner Billigst- Herstellung! In der Zwischenzeit kann ich eine herkömmliche Glühfadenlampe einsetzen, Nachteil dabei ist der ca. 15fache Stromverbrauch.
6.8.2013, Dienstag, Akureyri.
Nach dem erfolgreichen „Erjagen“ des 2- Komponenten- Klebers mache ich mich über die Reparatur des Hecklichts. Erjagen deshalb, weil ich fast alle in Frage kommenden Läden abgeklappert habe, bis ich so einen Kleber fand. Ist nicht so einfach im Ausland und in einer kleinen Stadt. Endlich konnte ich auch in die Kirche, genannt Eiskathedrale, heute hat sie mal für alle geöffnet. Ein Kirchenfenster hinter dem Altar ist aus der Domkirche von Coventry/England. Diese Domkirche wurde im 2. Weltkrieg völlig zerstört (und nicht wieder aufgebaut), die Kirchenfenster brachte man rechtzeitig in Sicherheit, und auf verschlungenen Pfaden gelangte eines hierher.
7.8.2013, Mittwoch, Akureyri.
Heute mal wieder unterwegs in Sachen Reparieren und Ersatzteile beschaffen. Am Vormittag brachte mir Nils, ein Bekannter des Nachbarbootes Gógó, seinen alten Island- Seefahrer- Almanach. Darin sind die Häfen mit Bild und Beschreibung enthalten und auch alle größeren registrierten Schiffe Islands. Jetzt kann ich in den Häfen aufgrund der Schiffsnummer nachschlagen, wem das Schiff gehört, wie lang und breit es ist, welche Motorenmarke und wie viel Leistung eingebaut ist und vieles mehr, wenn ich isländisch könnte! Ich klagte ihm mein Leid über die undichten Rumpffenster, und wo ich Silikon kaufen könnte, da hat er mich kurzerhand in sein Auto gepackt und zum nächsten Baumarkt gefahren. Hier habe ich dann deutschen Fenster- Silikon samt Pistole gekauft. Natürlich hätte es hier auch den 2- Komponenten- Kleber gegeben, aber den Baumarkt habe ich gestern nicht erfragen können. Zurück am Schiff wassere ich mein Beiboot, damit ich von außen gut an die undichten Fenster rankomme. Mit Schleifpapier den Rahmen und den Fensterrand etwas aufrauen bzw. lockeren Lack entfernen, mit Aceton gründlich reinigen und dann die Silikonraupe gleichmäßig auftragen. So ganz professionell schaut's nicht aus, aber zur Entschuldigung kann ich anbringen, dass das Beiboot schaukelte! Ich hoffe sehr, dass die Fenster jetzt dicht sind, bei ordentlich Schräglage sind die immer wieder im Wasser, und speziell das steuerbordseitige Fenster war nicht nur undicht, da kam literweise Wasser rein, was ich erst spät bemerkte. Habe deswegen schon meine Federbettdecke entsorgen müssen, da voller Salzwasser und schon angegammelt, das bekommt man ohne vorheriger gründlicher Wässerung mit Süßwasser nicht wieder trocken, und dazu habe ich hier keine Möglichkeit.
8.8.2013, Donnerstag, Akureyri.
Fülle noch meinen Wassertank, bevor es heute um 11:15 ans Ablegen geht, der Zielhafen heißt Siglufjörður, wo ich um 21:15 festmache (66 08'53''N, 18 54'28''W). Lange Zeit wehte kein brauchbarer Wind hier im Fjord, erst als es mehr zur offenen See ging, kam ein wenig Wind auf. Hier in Siglufjörður ist ein 2004 mit dem „European Museum of the Year Awards“ ausgezeichnetes Museum über die Zeit des Heringfangs und -verarbeitung. In einem Gebäude ist der ehemalige Hafen mit richtigem Fischkutter und Hafenanlagen nachgebildet, das nächste Gebäude ist im originalen Zustand mit Schlafräumen für die „Heringsmädchen“, die die Heringe in die Fässer sortierten und dabei kräftig Salz dazugaben, und das Büro der Verwaltung. Im freien sind fünf Verarbeitungstische aufgebaut, an denen jeden Samstag im Juli die Arbeit nachgestellt wird. Das dritte Gebäude beherbergt die Maschinen zur Verarbeitung des Herings zu Öl und Mehl. Nach so viel Hering besuche ich am Freitag noch das Zentrum für Volksmusik. Dort sind alle Beschriftungen leider nur auf isländisch, so bin ich nach dem Besuch so schlau wie vorher. Den Sonntag verwende ich mal zum Faulenzen. Sollte eigentlich schon weiterfahren, aber als Ausrede lasse ich für mich mal gelten, dass die Tankstelle erst montags wieder öffnet und ich ohne volle Dieseltanks nicht zu den Westfjorden fahren will. Abends stellt sich das Hierbleiben noch positiv heraus: ein anderer deutscher Segler legt sich an die Bec-Scie zum Päckchen, wir tauschen unsere Erfahrungen aus (wir ratschen halt !) und ich bekomme von ihm die Ansteuerseekarte von Reykjavik ausgeliehen, er ist dort schon gewesen und ich soll sie ihm irgendwann zurückschicken. Muss ich einen vertrauenswürdigen Eindruck gemacht haben!
12.8.2013, Montag, Siglufjörður.
Konnte immerhin 100 Liter Diesel einbunkern, da hat sich das Tanken gelohnt. Um 10:00 geht’s weiter, heute mal bei Sonnenschein. Schwache bzw. teils Gegenwinde lassen mich nicht flott vorwärtskommen, starte auch mal den Motor, wenn grad gar kein Wind geht, und so bin ich erst um Mitternacht an meinem Tagesziel Sauðárkrókur (grade noch so geschafft, das „Tages“- Ziel!) (65 45'24''N, 19 38'54''W).
12.8.2013, Dienstag, Sauðárkrókur.
Hier ist eine Gerberei zu besichtigen, die als Spezialität Fischhäute zum „Fisch- Leder“ aufbereitet, damit daraus Taschen, Gürtel, Schuhe und was man sich sonst noch so vorstellen kann, gefertigt werden. Ich mache eine Führung durchs Werk mit, bin heute der einzige Besucher. Heute geht es auch hier nicht ohne Chemikalien, die unter anderem aus Geretsried kommen. Jetzt ist die Häute- Vorratshalle leer und wird als Konzertsaal übers Wochenende genutzt, aber nach den traditionellen Schlachtmonaten September und Oktober wird die Halle wieder voll sein mit Tierhäuten aller Gattungen. Die frischen Häute werden richtiggehend eingesalzen, dann halten sie sich über ein Jahr, bis sie verarbeitet werden müssen. Die Windvorhersage sieht gut aus für meinen nächsten Trip, zum Horn, der nordöstlichsten Ecke des Westfjorde- Gebietes, deshalb starte ich noch heute um 17:00. Leider stimmt die Vorhersage nur die ersten Stunden, dann reicht der Wind nur noch für knapp 3 kn Fahrt. Direkt vor dem „Horn“ heißt es „Eisberg voraus!“ Hat sich doch tatsächlich ein Eisberg an die isländische Küste verirrt. Ich fische mir aus seinem Trümmerfeld ein Stück, das gibt am Abend einen „Campari on the rocks“! Kurz nach dem Eisberg fahre ich in die Hornvik- Bucht zum Übernachten, um 19:00 fällt der Anker (66 25'42''N, 22 28'54''W). Übrigens hat man mir erzählt, dass derjenige, der um dieses Horn herumfährt, einen Fuß auf den Tisch legen darf, und wer um das Kap Horn in Südamerika herumkam, beide Füße, also Achtung, wer mich demnächst einlädt!
15.8.2013, Donnerstag.
Um 10:20 ankerauf. Mit minimalen Wind schleppe ich mich an der Küste entlang, leider passt die Dünung so gar nicht zum Wind, und so schlägt das Großsegel, das ich wegen der Schaukelei nur gesetzt habe, erbärmlich. Aber motoren will ich auch nicht, zum Zeitvertreib streiche ich meine Außenborder- Halterung ein zweites Mal. Durch das Herumgeflappe des Segels hat sich die Befestigungsmutter des Baumbeschlags gelöst, plötzlich fliegt dieser Taljenblock herunter, und grad nicht über Bord – Glück gehabt, und die Mutter finde ich auch noch. Gegen Abend dümple ich in die Aðalvik- Bucht zum Ankern, um 23:15 sitzt der Anker fest (66 22'52''N, 23 01'54''W).
16.8.2013, Freitag.
Vor der Abfahrt diesen Taljenblock wieder zusammengeschraubt und am Baum montiert und das Motor- und Getriebeöl gecheckt: ok ausnahmsweise. Aber eine Halterung eines Gummilagers des Motors ist lose, eine Mutter liegt bereits in der Ölauffangwanne. Also auch das noch schnell festgeschraubt und die anderen drei kontrolliert, und schon kann's losgehen! Es ist schon 10:20, als der Anker an Deck rumpelt. Heute möchte ich in Hesteyri ankommen, das ist eine aufgegebene Siedlung im Hesteyrarfjörður, und um 20:30 ankere ich vor diesem Örtchen (skandalöserweise habe ich vergessen, die genauer Koordinaten aufzuschreiben, diese hier sind nachträglich am Kartenplotter ausgemessen: 66 20'19''N, 22 51'43''W).
17.8.2013, Samstag, Hesteyri.
Mittlerweile leben im Sommer wieder ein paar Menschen hier, der Ort ist auch eine Station auf den vielen Wanderrouten, die es in den Westfjorden gibt, es gibt im Sommer tägliche Fußgänger- Fährverbindungen nach Ísafjörður und anderen Orten. Deshalb rentiert sich offenbar auch das kleine Café, das in einem der Häuser geöffnet hat. Weiter Richtung Fjordende kann man eine zerfallene Walfabrik besichtigen. Nicht zu besichtigen ist die „gestohlene Kirche“ des Ortes. Wie mir der Café- Betreiber erzählte, stiftete der Fabrikbesitzer den Einwohnern eine kleine Kirche. Als das Dorf aufgegeben wurde, hat man in der kirchlichen Bezirksverwaltung beschlossen, die hier vorhandene, aber nicht mehr benutzte Kirche abzubauen und in Súðavík aufzustellen. Dummerweise hat man dabei vergessen, die eigentlichen Besitzer, nämlich die ehemaligen Einwohner Hesteyri's, zu fragen. Bis heute gibt es keine Entschädigung oder auch nur eine Entschuldigung, und so geht die Geschichte der „gestohlenen Kirche“ um. Das Ab- und Aufbauen ist relativ einfach, wenn man weiß, dass die meisten alten Holzhäuser sozusagen als Bausätze aus Norwegen kamen, so auch diese Kirche. Vor dem Café treffen ich die beiden Wanderer Paul und David aus Amerika, einer aus Texas, der andere aus Oklahoma, beide sind Englisch- Lehrer in Japan und wollen nun die Westfjorde in Island erwandern, die sind schon so was wie Globetrotter. Sie haben den Ort letztes Jahr auf YouTube gesehen und spontan beschlossen: hier müssen sie hin. Am Nachmittag breche ich noch auf, das nächste Ziel ist um die Ecke, ein Ankerplatz am Kopf des Lónafjörður, wo ich um 21:30 ankomme (66 19'33''N, 22 29'07''W).
18.8.2013, Sonntag, Lónafjörður.
Die Nacht brachte böigen und teils starken Wind von den Bergen herab, so stellte ich mir den Wecker alle zwei Stunden, um nach dem Rechten zu sehen (nach links habe ich auch geschaut!), war somit eine etwas unruhige Nacht, aber der Anker hat gut gehalten, keine Gefahr. Heute genieße ich mal die Einsamkeit dieses Fjords, hier ist außer Natur wirklich nichts. Die schneebedeckten Berge fallen steil bis ins Meer herab, hier ist keine Fläche, auf die man ein Häuschen bauen könnte. Mit dem Beiboot mache ich einen Ausflug zum Wasserfall am Ufer, fotografiere ein paar Blumen und wandere etwas am Strand entlang. Ein paar Enten und Schwäne stöbern am Meeresrand herum. Es hat nicht mal Müll angeschwemmt. Diesbezüglich habe ich kroatische einsame Buchten anders in Erinnerung. Gegen 15:00 mache ich mich auf zum gegenüberliegenden Fjord Leyrufjörður, eine gewaltige Strecke von 7 Seemeilen! Dort sieht man zum Gletscher Drangajökull. Ich möchte morgen versuchen, an das Gletscherende zu wandern. „Wenn mia koa Klimaerwärmung hädadn, hädad i ned so weit zum hatschn“ - seinerzeit dürfte der Gletscher direkt ins Meer gemündet haben, heute hat sich sein Ende ca. 6 km ins Landesinneren zurückgezogen. Um 17:00 bin ich schon vor Anker, genau auf 66 13'52''N, 22 33'51''W. Weiter an das Fjordende traue ich mich nicht, hier sind's jetzt 7 Meter Wassertiefe (bei augenblicklicher Flut), und es soll schnell flacher werden. Da hat morgen der Außenborder was zu tun, bis ich ans Fjordende komme, wo der Gletscherbach ins Meer mündet.
19.8.2013, Montag, Leyrufjörður.
Der geplante Gletscherausflug fällt wegen Regen und teils dichtem Nebel aus. Beschließe daher, zurückzufahren und eventuell bis Suðureyri zu gelangen. Aber die Winde hier im Fjord sind anderer Meinung: Gegenwind, kein Wind, stürmische Böen, das ganze Programm, um einen Segler am Vorwärtskommen zu hindern, und deshalb gebe ich klein bei (der Klügere gibt nach!) und ankere um 21:00 wieder vor Hesteyri. So richtig mit Anker eingraben usw., ganz vorschriftsmäßig. Aber der Windgott ist noch nicht ins Bett: zwei Stunden später slippt der Anker aufgrund der immer stärker werdenden Fallböen, die vom Ufer auf Meer herunterstürzen. Also raus aus den Federn und neues Ankermanöver. Erst das zweite klappt vom Halten her zufriedenstellend (02:00), und damit ist jetzt auch der Windgott zufrieden: ab sofort Windstille!
20.8.2013, Dienstag, Hesteyri.
Um 11:35 hole ich den Anker an Deck. Heute darf ich mal alle Wetter an einem Tag genießen! Morgens diesig und regnerisch, mittags heiter, nachmittags strahlender Sonnenschein und abends schon wieder bewölkt. Habe bis 17:00 Wind, ab dann muss der Motor für Vortrieb sorgen. Um 23:50 mache ich an einem Fischkutter in Suðureyri (66 07'47''N, 23 31'28''W) fest. Das ist praktisch, so muss ich mich nicht um die Länge der Festmacher kümmern bei gut 3 Meter Tidenhub.
21.8.2013, Mittwoch, Suðureyri.
Nach einem kurzen Spaziergang durch den Ort und ein paar Einkäufen lockt mich das angekündigte Wetter aus dem Hafen. Aber auch die Isländer haben das Wetter nicht so im Griff, und so stimmt die angegebene Windrichtung einfach nicht mit der Realität überein, für mich heißt das, neuen Zielhafen aussuchen. So lande ich in Flateyri, leider tief im Fjord, die Strecke muss ich morgen wieder rausfahren! Und dann fällt mir auch noch das untere Steckschott vom Niedergang herunter und zerspringt in drei Teile. Das ist ganz mies, weil ich das bei kräftigerem Wind und Seegang immer drinhabe; falls eine Welle ins Cockpit einsteigt, soll diese nicht auch noch mein „Wohnzimmer“ wässern. Ich klebe die Teile mit Panzerklebeband zusammen für den Hafeneinsatz (Licht!) und säge mir aus meinem Holzvorrat ein passendes für die Sicherheit auf See.
22.8.2013, Donnerstag, Flateyri.
13:50 ist Aufbruch in den benachbarten Fjord, nach Bíldudalur. Leider auch wieder „ganz hinten“ im Fjord. Heute mal regnerisch. Im Zielfjord reiner Gegenwind, so geht’s mal wieder mit Maschine zum Ziel, das ich um 01:30 erreiche (65 41'04''N, 23 35'59''W). Ich binde mich an einem alten Fischkutter fest, der nicht den Eindruck macht, morgens auszulaufen, anstatt an den „Reifenkai“ zu gehen – eine gute Entscheidung, der Tidenhub ist hier auch mindestens 3 Meter. Was gibt es in Bíldudalur? Ein Seemonstermuseum. Als Seefahrer muss ich da natürlich hin, damit ich die verschiedenen Rassen auf meinen Reisen unterscheiden kann und eventuelle Abwehrtechniken kennenlerne! Gerade in diesem Fjord gibt es viele Sichtungen von Seeungeheuern aller Art. Im Museum gibt es Interviews von Leuten, die welche gesehen haben, und Zeichnungen nach deren Aussagen, und undeutliche Bilder, wie man sie vom Ungeheuer im Loch Ness kennt. Außerdem einen interaktiven Landkartentisch, auf der man die Sichtungsorte anfahren kann und dann die entsprechende Geschichte dazu „aufgetischt“ bekommt. Weiter soll's gehen nach Ólafsvik für eine Rundfahrt an Land um die Halbinsel Snæfellsnes und dann endlich nach Reykjavik.
Damit „Ahoi“ bis zum nächsten Bericht.
Bilder: Abendstimmung über Hrisey, Eisberg, Siglufjörður, Segeln in den Westfjorden
6.8.2013, Dienstag, Akureyri / IS
Reichlich viel Zeit verstrichen seit dem letzten Bericht. Ich bin zwar immer wieder am Schreiben, leider ist das Internet nicht immer in meiner Nähe, und so vergehen die Tage, bis so ein Bericht auf die Reise gehen kann. Aber als Segler muss man Geduld haben, und als Seglergeschichtenleser eben auch!
23.7.2013, Dienstag, Seyðisfjörður.
Gestern war ich noch im hiesigen Technik-Museum, war eher witzig als interessant: da wird mal schnell alles mögliche Alte zusammengetragen, was man im Ort findet, und fertig ist das Museum: von einem Kinoprojektor, der nur noch rudimentär vorhanden ist, über alte Radios und einer Modellfernsteuerung Marke Futaba bis zu einer halbwegs fertiggestellten Modelleisenbahn ist alles da. Aber auch ein paar Maschinen aus der Druckerei- Branche, die sogar noch funktionieren, sind zu besichtigen: Setzautomaten, Falzmaschinen und natürlich Druckmaschinen. Eine alte Werkstätte für Metallbearbeitung und Gießerei im Originalzustand, als der Betrieb eingestellt wurde, kann ebenfalls besichtigt werden.
Zurück zu heute: nachdem ich noch 77 Liter „coloured diesel“ (ist billiger für die Schifffahrt) getankt habe, geht’s um 10:20 los Richtung Vopnafjördur. Seyðisfjörður selbst liegt in der Sonne, aber zum Fjordausgang wird es richtig nebelig. Auf dem Radar entdecke ich ein Echo, was ich großzügig umfahre. Als ich näher bin, erahne ich durch die Nebelschichten einen Fischer. Die ganze weitere Strecke über habe ich nur leichte Winde, aber viel Nebel oder es wird etwas lichter, aber sehr diesig. Starte auch mal für einige Zeit den Motor. Um Mitternacht bin ich immer noch ca. 12 Seemeilen von meinem Ziel entfernt, Erst am Mittwoch um 3:10 mache ich an einem kurzen Schwimmponton fest, wohlbehütet von einem Seenotrettungsboot, das an der anderen Seite des Ponton liegt (65 45'27''N, 14 49'12''W).
24.7.2013 Mittwoch, Vopnafjördur.
Erst mal bis um halb elf geschlafen, dann das Radl zusammengebaut. Ein Besuch von Bustarfell steht auf dem Programm. Davor erst 20km radln. Im dort angegliederten Cafe genehmige ich mir Kaffee (mit Refill) und Kuchen, dann wird dieser alte besterhaltene Torfbauernhof besichtigt. Von 1532 an immer von der gleichen Familie bewirtschaftet. Sie zählt zu den wohlhabenderen, denn sonst wären die Gebäude nicht mit 27 Räumen entstanden. Die Gebäude waren bis 1966 noch vom Besitzer Methusalem Methusalemsson bewohnt, dieser hatte das Gehöft aber schon früher dem Staat verkauft. Zum „Baustil“: die Wände sind aus aufgeschichteten Grassoden oder Torfstücken, auch das Dach ist mit Grassoden bedeckt. Die Wohnräume erhielten eine Holzverkleidung, in Werkstatt und anderen Arbeitsräumen sieht man aber auf die Erdwände und über einem Holz- Dachstuhl die als Dach dienenden Grassoden.
25.7.2013, Donnerstag, Vopnafjördur.
Um 11:00 Ablegen. Vorher noch im Supermarkt ein paar Lebensmittel gekauft. Die Fahrt soll nach Raufarhöfn gehen. Wechselnde Windverhältnisse (Flaute, Gegenwind) bedingen, dass ich erst um kurz vor Mitternacht zum Samstag in Raufarhöfn festmache, und für direkt ca. 80 Seemeilen durch Aufkreuzen auf über 100 Seemeilen komme! Wieder mal dichtester Nebel während der Einfahrt in den Hafen, erst im Hafen selber kann man wieder mehr als 50 Meter sehen, zum Beispiel den Schwimmponton, des Seglers Liebling in Tidengewässern. Dort wird um 23:30 festgemacht (66 27'27''N, 15 56'36''W).
27.7.2013, Samstag, Raufarhöfn.
Hier am Ortsrand soll einmal der „Arctic Henge“ entstehen, ein Steinkreis mit Steinbögen und anderem Gebilden. Das Ganze soll nach Inspirationen aufgrund eines alten Poems „Prophecy of the Seeress“ gebaut werden. Nur scheint hier seit einiger Zeit nichts mehr gebaut zu werden: zwei Bögen und das zentrale Vierbein stehen, keine Baumaschinen oder sonstige baustellentypischen Gerätschaften sind zu sehen, diese Baustelle ist wahrscheinlich der Finanzkrise zum Opfer gefallen. Schade für den Ort, denn ansonsten ist hier „der tote Hund begraben“, nachdem zu den Heringsfangzeiten in den Fünfzigern hier ein Knotenpunkt der Fischerei und Fischverarbeitung war. Nachdem ich diese Attraktionsruine besichtigt habe, mache ich noch einen Küstenspaziergang zu den Klippen und zum Leuchtturm. Viele Vögel sind hier zu beobachten, Eissturmvögel, Seeschwalben und Tölpel.
28.7.2013, Sonntag, Raufarhöfn.
Weiter geht’s, heute nach der Insel Grimsey. Wenn ich hinfinde, es hat mal wieder Nebel. Dafür leichte Winde, damit nicht viel passiert, wenn man wo dagegenrumpelt! Also wirklich schlechte Sichtverhältnisse, ich schaue immer wieder zum Radar, und tatsächlich, den Frachter sehen ich zuerst hier, bevor er im Dunst zu entdecken ist, feine Sache, dieses Radar. Mit den leichten Winden zieht sich die Fahrt, erst kurz nach Mitternacht lege ich in Grimsey an, wieder mal, Ihr ahnt es schon, in dichtem Nebel (66 32'20''N, 18 00'59''W).
29.7.2013, Montag, Grimsey.
Nach ein paar Stunden Schlaf sehe ich mich auf der Insel um, soweit möglich bei den diesigen Sichtverhältnissen. Diese Insel ist bekannt für ihren Vogelreichtum, gleich neben der Straße am Abhang sehe ich Papageientaucher zu Scharen, auch andere, die ich bisher noch nicht sah, und natürlich hunderte von Eissturmvögeln und Seeschwalben. Im kleinen Laden am Hafen kaufe ich mir einen hier gestrickten Islandpullover, einen echten Grimseyer sozusagen. Um 12:45 bin ich schon wieder auf dem Wasser, ich will die Insel umrunden, nebenbei komme ich dabei nördlich des Polarkreises, das dürfte hier der nördlichste Punkt sein auf meiner gesamten Tour, exakt hier: 66 34'26''N, 18 01'08''W. Darauf gibt’s ein Bier! Nach der Umrundung ist Kurs nach Hύsavik eingestellt. Da den ganzen Tag kein Lüftchen weht, bin ich über acht Stunden mit Motor unterwegs. Erinnert Ihr Euch noch an die schottische Crew, die ihren Frischwassertank in die Bilge geleert hatte? Ich kann das eleganter, denn meine automatische Bilgenpumpe pumpt das Wasser sogleich weg. Während der Motor lief, hörte ich die Pumpe nicht, und so habe ich den Inhalt meines Backbord- Tanks dem Meer übergeben. Wie kam's? Der Wasserfilter ist's gewesen. Da ist der Plastikbutzen, in dem die Schraube sitzt, die den Filter zusammenhält, abgebrochen. Plastik auf Zug mit Kerbwirkung durch die Schraube, ich würde sagen, eine klassische Fehlkonstruktion. Zur Reparatur habe ich ein kleines Brett untergeschraubt und einen Alu- Bügel gebogen, der mit Schrauben in das Brettl geschraubt wird und so den Filter wieder zusammen- und dichthält. Weil ich grad bei Missgeschicken bin: irgendwann habe ich die Power- Taste meiner Digicam zu fest gedrückt, jedenfalls ist diese jetzt etwas ins Gehäuse gerutscht. Noch schaff ich es, sie ein- und auszuschalten. Es gibt fünf kleine, verlockende Schrauben, aber ich traue mich nicht, zumindest jetzt noch nicht, wo weit und breit keine Ersatzkamera zu kaufen wäre, wenn ich die meine kaputtrepariere. Vielleicht in Akureyri. Denn Island ohne Fotoapparat geht gar nicht! Aber zurück zur christlichen Seefahrt: um 20:45 bin ich in Hύsavik (66 02'43''N, 17 20'42''W), ich kann wieder mal an einem Schwimmponton festmachen, und es gibt sogar Strom. Hύsavík ist offenbar die Hochburg der Walbeobachtung. Gleich drei Firmen buhlen um Kundschaft, aber nur mit Reklametafeln. Keine türkischen Verhältnisse, wo man fast in die Läden gezogen wird, nur damit man nicht beim konkurrierenden Nachbarn einkauft. Laut der Werbung ist die Bucht Skjálfandi, an der eben dieses Hύsavík liegt, besonders prädestiniert für das Rumschwimmen von Walen u.s.w. Übrigens: wenn schwimmen schlank macht, was machen Wale falsch? (von einem Komiker, weiß den Namen jetzt nicht).
Schaue mir das Walmuseum und das Culture House mit maritimem Museum an. Das Walmuseum ist wirklich sehr informativ und interessant. Neben der Geschichte des Walfangs mit den Gerätschaften dazu sind viele Gerippe der verschiedenen Wale zu sehen und man kann manches in die Hand nehmen. Die Barten z.B. fühlen sich an wie Plastik. Man hat seinerzeit Peitschengriffe und Schuhlöffel und die Gerippe für die ausufernden Röcke zu Königszeiten gefertigt. Über das Info- Büro organisiere ich mir einen Leihwagen für den nächsten Tag. Leider liegen nicht alle Sehenswürdigkeiten am Ufer oder in Radlreichweite! Zum Beispiel die Wasserfälle Goðafoss, Dettifoss oder die Gegend von Mývatn.
31.7.2013, Mittwoch, Hύsavik.
Da der Leihwagen ausgenutzt werden muss, gibt es eine generalstabsmäßige Planung à la japanischer Tourist. Um 8:00 hole ich den Wagen, und dann geht’s gleich Richtung Goðafoss. Neben dem Wasserfall sind die Bustouristen eine ebensolche Sehenswürdigkeit: raus aus dem Bus, schnell die paar Schritte vom Parkplatz zum Aussichtspunkt auf den Wasserfall, schnell ein paar Fotos, schnell zurück in den Bus, weiter zur nächsten Attraktion. Mir pressiert's zwar auch, aber wenn ich dann an einer Attraktion bin, nehme ich mir die Zeit, um das Sehenswerte auf mich einwirken zu lassen. Als nächstes ist der See Mývatn mit seiner Umgebung auf dem Plan: die Pseudokrater bei Skútustaðir, die düsteren Felsen Dimmuborgir, zur Entspannung eine Badepause im Mývatn Nature Bath, darauf ins Vogelmuseum am Nordwestufer des Sees, anschließend Besuch des Solfatarenfeldes Hverir. Dann eine längere Fahrt zu den Wasserfällen Selfoss und Dettifoss. Über 45 Meter stürzen hier unglaubliche Mengen von Wasser, er gilt als der größte Wasserfall Europas. Vom Dettifoss geht es weiter auf einer einspurigen Schotter-, Sand-, Erdstraße, ca. 35 km. Diese „Straße“ führt nach Ásbyrgi, einer jetzt trockenen Schlucht, und dann will ich auf der Küstenstraße zurück nach Hύsavik. Um 22:30 bin ich wieder am Schiff, Tagesetmal: 300 km. Für einen Ein- Tages- Ausflug ist das, glaube ich, ein gute Runde gewesen, um einen Eindruck dieser Ecke Islands zu erhalten. Allerdings sollte man für viele der besuchten Stätten viel mehr Zeit mitbringen und auch Wandertouren unternehmen. Auf den Krater Hverfell wäre ich schon auch gerne, aber er versteckte sich in einem Nebelumhang, und dann ist's auch nichts mit der viel gerühmten Aussicht.
1.8.2013, Donnerstag, Hύsavik.
Ablegen um 13:00. Mein Bauchgefühl will noch nicht los, aber der Geist fragt sich, wie lange er hier noch rumgammeln soll. Später zeigt sich, der Bauch war der klügere. Zu meinem eigentlichem Ziel, dem Fjord Eyjafjördur führt kein Weg, äh Wind, und die angekündigte und sehnlichst erwartete Winddrehung bleibt auch aus. So segle ich hoch am Wind meilenweit in eine völlig falsche Richtung. Zurück nach Hύsavik will ich aber auch nicht. Nach einer Wende zielt der Bug auf die Insel Flatey. Die wollte ich eigentlich „auslassen“, aber das Schicksal verschlägt mich nun doch auf diese Insel. Als auch noch der Wind auslässt, ist's beschlossen: am Kai dieser Insel wird übernachtet, ist eh schon Freitag 3:00 Uhr morgens (66 09'27''N, 17 51'13''W). Nach ein paar Stunden Schlaf mache ich eine Runde auf der Insel, Einwohner gibt es keine mehr, die ca. 30 Häuser dienen als Wochenend- und Ferienunterkünfte. Weder der Leuchtturm noch die Gemeindehalle ist abgesperrt (wozu auch, kommt ja normal niemand her!), so werden diese von mir inspiziert. Die Insel gehört der Natur: Blumenwiesen und alle möglichen Vögel sind hier beheimatet. Um 12:00 fahre ich weiter zu meinem ursprünglichem Ziel, der Insel Hrisey im Eyjafjördur, wo ich um 19:30 an einer traktorreifenbewehrten Kaimauer festmache (65 58'44''N, 18 22'56''W).
3.8.2013, Samstag, Hrisey.
Besuche das Museum über Haifisch- Jörundur, ein hier bekannter Hai- Fischer und Verarbeiter. Es ist in seinem Haus, das er 1885 baute, untergebracht. Neben den Fischereiutensilien sind auch andere alte Dinge aus der Gemeinde und deren Bürgern ausgestellt, wie das offenbar alle kleinen Gemeinden in ihren Museen tun. Um 14:25 ablegen mit Kurs Akureyri. Eine kurze Fahrt von 20 Seemeilen, der Wind diesmal aus günstiger Richtung, aber hier zwischen den Bergen zeigt er, was man unter Düseneffekt versteht: gefühlt sind es 6 Bft, obwohl das Wellenbild das nicht hergibt, aber die Wellen können sich im Fjord nicht entsprechend bilden. Ich bin jedenfalls mit Miniatursegel unterwegs und erreiche immer wieder 7 kn Fahrt. Muss immer wieder mal das Segel schiften, weil der Wind eine Drehung macht, und das ist bei meinem Rigg Arbeit: erst einrollen (schwer bei Wind!), dann Kurskorrektur, dann auf der anderen Seite wieder ausrollen (leicht bei Wind!). Dank des Kutterriggs wird mir bei diesen Manövern immer wieder warm. Ach ja, Wärme: später in Akureyri lese ich an einer Temperaturanzeige 5 °C. Um 19:00 kann ich als zweites Schiff im Päckchen am Schwimmsteg festmachen (65 40'59''N, 18 05'10''W), Strom gibt’s auch für meinen Heizlüfter, um die Temperatur in der Kajüte etwas anzuheben.
4.8.2013, Sonntag, Akureyri.
Heute ist Museumstag. Das Akureyri- Museum, eine Art Heimatmuseum, zeigt die Geschichte des Ortes und seiner Umgebung, unter anderem hat man in der Nähe ein Totenschiff ausgegraben, in dem neben dem Toten auch noch sein Pferd und diverses Werkzeug lagen, was man eben so im Jenseits braucht. Im Nonni- Haus verbrachte der Jesuitenpater und Kinderbuchautor Jón Sveinsson, Spitzname Nonni, seine ersten fünf Jahre. Heute ist hier ein Museum über ihn und seine Kinderbücher eingerichtet, die meist auf deutsch verfasst wurden und in über 30 Sprachen übersetzt wurden, z.B. „Nonni und Manni“. Zur Entspannung genehmige ich mir anschließend ein hausgemachtes Eis in der angeblich bekanntesten Eisdiele Islands, im Brynja. Ein Spaziergang durch den botanischen Garten beendet die heutigen Besichtigungen, nachdem die Eiskathedrale heute (Sonntag!) nur zwischen 18:00 und 20:00 geöffnet ist und ich zu früh dran bin. Um 21:00 schau ich noch zum Open Air vom Stadtfest, das läuft bis Mitternacht, es treten relativ viele Gruppen auf, dafür nur relativ kurz. Kennen tu' ich keine, und verstehen erst recht nicht, aber manche machen guten Sound. Zum Abschluss noch ein richtiges Feuerwerk.
5.8.2013, Montag, Akureyri.
Heute besuche ich das Luftfahrtmuseum und das Motorradmuseum. Ersteres stellt die Geschichte der isländischen Luftfahrt in Bildern und wenigen Segelfliegern dar, daneben gibt es auch moderneres Fluggerät: Düsenflieger der Coast Gard, Wasserflugzeuge, Hubschrauber, einen verwegen ausschauenden Gyrokopter und diverse Einzelteile, z.B. ein Triebwerk von Rolls Royce. Das Motorradmuseum hat der Neffe des Motorradenthusiasten Heiðar Jónsson aufgezogen, da dieser selbst bei einem Motorradunfall ums Leben kam und diesen seinen Traum nicht mehr verwirklichen konnte. Übergreifendes Thema ist 100 Jahre Motorräder in Island, und da sind auch seltsame Gefährte dabei: ein kurioser Eigenbau, bei dem einzig ein BMW Motor als fertiges Teil verwendet wurde, bereits das Getriebe ist Eigenbau, oder ein Holz- Motorrad. Auch eine Hercules W2000 mit Wankelmotor, nur 1820 Stück wurden davon gebaut. Oder eine Geländemaschine in der Ausstattung, mit der zwei Isländer die Welt umrundeten, durch Nordamerika, Alaska, Sibirien, Europa. Für einen Motorradfan bestimmt eine Fundgrube, für mich, der mit Motorrädern weniger „am Hut hat“, aber auch interessant, da zu jedem Bike ein bisschen Geschichte dabeisteht. Da ich noch Zeit habe, gehe ich auch noch ins nebenan gelegene Industriemuseum. Dieses zeigt die industrielle Geschichte von Akureyri und Umgebung. Natürlich Fischverarbeitungsmaschinen, aber auch Schneiderei- und Strickmaschinen und viele andere diverse Gegenstände, Maschinen und Handwerkzeuge. Nach soviel Kultur bleibt bei mir heute die Küche kalt, ich nehme mir eine Pizza mit „nach Hause“. Nach einer Siesta möchte ich das Hecklicht reparieren, das seit einiger Zeit nicht mehr leuchtet. War bisher egal, weil ja eh immer hell, aber jetzt wird’s nachts wieder richtig dunkel, und da sollte das Teil funktionieren. Leider übersehe ich eine Schraube, und so mache ich das Gehäuse kaputt, als ich es mit Gewalt öffne. Es war aber auch viel Silikon herum, ich dachte, das klebt irgendwo noch zusammen. Jetzt hoffe ich, dass ich mit viel 2-Komponentenkleber (den ich erst noch besorgen muss!) das Ganze wieder flicken kann. Und was war ursprünglich defekt? Es ist eine LED- Lampe drin, die nicht mehr leuchten will, der Bajonettsockel ist ganz locker, und einige LED's sind wesentlich dunkler als die restlichen. Wenn ich reinkomme zu der Platine, werde ich die Lötstellen nachlöten, vielleicht hilft es, einige schauen „kalt“ aus. Immer dieser moderne elektronische Kram mit seiner Billigst- Herstellung! In der Zwischenzeit kann ich eine herkömmliche Glühfadenlampe einsetzen, Nachteil dabei ist der ca. 15fache Stromverbrauch.
Damit „Ahoi“ bis zum nächsten Bericht.
Bilder: am Dettifoss, Baustelle Arctic Henge, Islandpferd
21.7.2013, Sonntag, Seyðisfjörður / IS
Jetzt bin ich tatsächlich in Island – ich bin gedanklich noch gar nicht da, nach all den Träumereien der letzten Jahre ist es nun Realität: ich
bin auf eigenem Kiel in Island gelandet!
Aber auch dieser Fahrtabschnitt war nicht einfach, wie ich Euch hier
berichten werde.
15.7.2013, Montag, Midvagur.
Ablegen um 10:40. Von Luffa bekomme ich noch geschmierte Brote mit als schnelle Wegzehrung unterwegs – eine Klasse Idee, wie sich herausstellt. Sogar Jacob mit seiner Frau schaut zum Abschied noch schnell vorbei, eigentlich hat er ja Dienst. So geht’s also mit den besten Wünschen auf die bisher längste Etappe. Das Wetter ist wie seit Tagen: diesig, nebelig, immer wieder Nieselregen. Abends bringe ich die Windfahnensteuerung zum Einsatz. Um Mitternacht habe ich gerade mal 43 Seemeilen zurückgelegt und bin auf Position 62 17'28''N, 8 15'41''W.
16.7.2013, Dienstag.
Über den Tag dreht der Wind von bisher Südwest nach West, ist ja nicht ganz ideal, wenn man nach Nordwest will, aber noch geht’s gut. Und zum Abend hin wird er stärker, neben dem bereits gerefften Großsegel verkleinere ich auch das Vorsegel. Um Mitternacht dürfte es Windstärke 5 haben, ich kämpfe wie üblich ungefähr eine Stunde lang mit dem Großsegel, bis ich es herunter habe. Dabei geht eine Segellatte verloren, schöner Mist. Ich kann ihr nur zuschauen, wie sie sich in 3 Metern Höhe langsam aus ihrer Tasche herausarbeitet. Der Klettverschluss hat sich an einer Leine verhakt und dadurch geöffnet. Bis ich das Segel in Greifweite geborgen habe, ist sie auch schon im Nordatlantik baden gegangen. Das Etmal (= in 24 Stunden zurückgelegte Strecke) nicht schlecht: 129 Seemeilen.
17.7.2013, Mittwoch.
Der Wind hat noch zugelegt, um 8:00 schätze ich ihn auf 7 Beaufort. Bin nur mit einem kleinen „Fetzen“ von Vorsegel unterwegs und laufe mehr nach Nord, da habe ich die Wellen nicht von der Seite, sondern von „halb hinten“, das erscheint mir angenehmer fürs Segel. Immerhin klart es auf, nach Tagen (Wochen?) endlich mal wieder blauer Himmel. Gegen Abend flaut der Wind dann ab, ich kämpfe das Großsegel wieder nach oben. Um Mitternacht dümple ich praktisch in einer Flaute. Nur die übriggebliebenen Wellen beuteln das Schiff. Das Etmal beträgt heute 73 Seemeilen, die Position ist 64 51'31''N, 11 18'18''W.
18.7.2013, Donnerstag.
Die Flaute hält auch heute an. Erst gegen 11:00 kommt sanft Wind aus Süd auf, aber die „Stärke“ ist mit 2 Bft eher schwach. Ich kann deswegen das Vorsegel nur wenig ausrollen, da es sonst durch die Wellenbewegungen nicht richtig steht, sondern immer wieder mit Gewalt ins Rigg knallt. Das geht auf Dauer auf's Material. Aber mit dem verkleinerten Vorsegel läuft mein „Segelmotor“ nur mit wenig Vortrieb. Das Wetter wie üblich: diesig, nebelig. Gegen Mitternacht wieder mehr Wind und aus Südwest. Das füllt das Vorsegel besser und ich kann es mehr ausrollen, ohne dass es schlägt. An der Geschwindigkeit sieht man sofort den Unterschied: vorher ca. 2,5 kn, jetzt 4. Die gut 12 stündige Flaute drückt das heutige Etmal auf 52 Seemeilen, die Position um Mitternacht: 65 04'47''N, 12 36'07''W.
Der Wind verstärkt sich, um 2:30 berge ich mal
wieder das Großsegel. Und dann ist es soweit: plötzlich tauchen im Nebel
schemenhaft Konturen von Bergen auf, schneebedeckt und steil – Land in
Sicht! Es ist 4:50. Erste, verwackelte Fotos werden geschossen. Ich
denke an die Wikinger, wie die so einen Landfall erlebt haben dürften,
nach langer Überfahrt in ihren offenen Booten, und ohne den ganzen
Navigationskram, den unsereins heute zur Verfügung hat. Je näher ich der
Küste komme, desto grandioser wird diese Gebirgslandschaft, ich mache
schon jetzt viel zu viele Fotos! Zum Vollenden der Szenerie kommt auch
noch die Sonne zum Vorschein, die mit den restlichen Wolken
Schattenspiele auf den Gebirgszügen veranstaltet. Um 8:15 bin ich am
Eingang des Fjords, der mich nach Seyðisfjörður führt.
Ich starte den
Motor, im Fjord ist mit Fallwinden und wechselnden Windrichtungen zu
rechnen, nach der langen Überfahrt habe ich keine Lust mehr, diese
restlichen 7 Seemeilen unter Segeln zu meistern. War es vor der Küste
noch kalt mit 10°, ist es jetzt im Fjord (und in der Sonne) 20° warm,
was für ein Unterschied innerhalb kürzester Zeit. Es ist 10:40, als ich
an einer Holzpier neben einer norwegischen Yacht festmache (65 15'58''N,
13 59'35''W). Nachdem ich keine Funkverbindung zum Hafenmeister bzw. dem
Zoll erreichte, muss ich das klassisch zu Fuß erledigen und frage den
erstbesten Isländer, wo den die Behörden sitzen. Den Hafenmeister kann
ich ausfindig machen und bekomme sogar Strom zum Laden der Batterien.
Der Zoll taucht dann von alleine auf, hat wohl ein Büro mit Seeblick!
Nachdem den Behörden genüge getan ist, hau' ich mich erst mal für ein
paar Stunden in die Koje, um meinen Schlafhaushalt wieder auf Vordermann
zu bringen. Für die 296 Seemeilen habe ich genau 4 Tage gebraucht, ein
Orden am blauen Band springt da nicht raus, eher eine Plakette
„flügellahmer Tölpel am rostigen Ankerketterl“.
Nachmittags ein erster Rundgang durch den Ort. Das Fährterminal ist das
größte Bauwerk, mit Infobüro und freies WLAN. Ansonsten viele
Holzhäuser, teils richtig alt. Z. Zt. findet das einwöchige LungA-
Festival (www.lunga.is) statt, mit Workshops, Konzerten, Vorlesungen
u.v.m. Ist wohl sehr bekannt und beliebt hier in Island, die Leute
kommen aus allen Regionen hierher. Ich habe mit einem Pärchen
gesprochen, die aus Grindavik kamen, das ist direkt entgegengesetzt,
nämlich südlich von Reykjavik. Im Infobüro sehe ich ein Plakat einer
Kunstinstallation eines Deutschen: fünf ineinander verschachtelte
Betonkuppeln, die oberhalb des Ortes am Berghang zu finden sind.
20.7.2013, Samstag, Seyðisfjörður.
Heute werden die Betonkuppeln besucht, ein kleiner Bergspaziergang kann nicht schaden. Die Kuppeln sind von der Akustik her interessant, heißt es, klingt alles voller und mit leichtem Hall. Eine Frau singt ein Ständchen darin. Später lass ich vom Handy LaBrassBanda spielen, das haben diese Kuppeln bestimmt noch nicht gehört. Beim Herumwandern stoße ich auf das Phänomen, dass an einer bestimmten Stelle die Musik scheinbar von draußen reinkommt. Ich steige noch bisschen weiter den Hang rauf für gute Photomotive. Später gibt’s als Abendessen in „der“ In-Kneipe, nämlich im Skaftfell- Bistro, eine Lasagne, für Pizza müsste man eineinhalb Stunden warten! Und nachts zum LungA- Abschluss- Open Air auf dem Gelände einer ehemaligen Fischfabrik.
21.7.2013, Sonntag, Seyðisfjörður.
Habe ich schon erwähnt, dass es hier z. Zt. über 20° hat, nicht nur in der Sonne, sondern auch hier unten im Schiff – richtig sommerliches Wetter also mit blauen Himmel. Nutze die Wärme, um mal alles an die frische Luft zu bringen: Kissen, Schlafsack, Decken, Handtücher usw. Weiters mache ich die weitere Fahrtplanung, Dienstag soll's weitergehen, die nächsten Häfen sind dann Vopnafjörður, Raufarhöfn, dann je nach Wind zur Insel Grímsey oder zuerst nach Hύsavík und anschließend in die zweitgrößte Stadt Akureyri. Aber wie erwähnt: Planung. Die endgültige Route legen Wind und Wetter fest. Damit „Servus“ bis zum nächsten Bericht.
Bilder: Island in Sicht, Betonkuppelkunst, Seyðisfjörður