Großbritannien
8.7.2013, Montag, Stornoway / GB
Bevor es Richtung Färöer- Inseln geht, noch schnell einen Bericht für Euch:
3.7.2013, Mittwoch, Tobermory.
Habe die Seekarten abgeholt, die Vorräte
durch letzte Einkäufen ergänzt, bin somit bereit zur Abfahrt. Um 11:50
heißt es: Leinen los! Der Wetterbericht ist „durchwachsen“, es ist mit
auffrischendem Wind zu rechnen. Solange er aus der richtigen Richtung
kommt (alles außer Nord) und nicht zu stark wird (alles weniger als
8Bft) soll's mir trotzdem Recht sein. Anfangs komme ich nicht so recht
aus dem Sound of Mull, drehende Winde zwischen den Bergen oder auch mal
gar kein Wind, aber als das geschafft ist, geht’s zügig Richtung Nord.
Der Spätabend- Wetterbericht spricht mittlerweile von „Gale 8 later“
(wann ist dieses „later“ eigentlich?!), und tatsächlich wird’s immer
stürmischer. Mit dem letzten Tageslicht berge ich mit Mühe das bereits
gereffte Großsegel. Mit dem Ding habe ich immer zu kämpfen, wenn der
Wind stärker ist, es will nicht herunter. Auch dieses Mal muss ich
mithilfe des Motors das Schiff exakt gegen den Wind bringen, damit das
Segel zu bergen ist. Irgendwo findet es sonst eine Möglichkeit, sich zu
verheddern: mal in die Backstagen, mal hinter eine Maststufe, oder ganz
simpel in die LazyJack- Leinen. Wahrscheinlich habe ich auch zu lange
gewartet mit dem Bergen. Bei achterlichem Wind übersieht man das gerne
mal, wie kräftig dieser Wind schon geworden ist. Beim Drehen des Schiffs
in den Wind bekommt man das erst richtig mit, wie stark es schon
aufgefrischt hat. Später habe ich nur noch einen ganz kleinen Teil des
Rollsegels draußen, und ich habe das Gefühl, dass es offenbar jetzt
„later“ ist. Ich beschließe, in einer Ankerbucht das Gröbste dieser
Wetterlage vorbeiziehen zu lassen, und so werfe ich den Anker um 5:40 in
Loch Pooltiel (57 27'10''N, 6 43'38''W). Hier im Norden ist es um diese
Uhrzeit schon angenehm hell, und trotzdem passe ich nicht richtig auf
mit der Wahl des Ankerplatzes: nach dem Beenden des ganzen Manövers bin
ich zu nah am auflandigem Ufer, also alles zurück auf Anfang! Beim
zweiten Mal gefällt mir die Sache wesentlich besser, der Ankergrund ist
gut, beim Eingraben des Ankers ist keinerlei Slippen festzustellen.
Letzte Logbucheintragungen, den Ankeralarm programmiert, und dann ab in
die Falle, die Nacht bzgl. Schlaf etwas aufholen. Über die Hügel stürzen
mal wieder die Fallwinde auf's Wasser, aber das kennt man ja schon.
Werfe regelmäßig aus meiner Koje einen Blick auf den Kartenplotter, der
zur Beruhigung brav den Schwojkreis anzeigt, aber keinerlei Abdrift. Der
Wetterbericht hat keine Verbesserungen im Angebot, so bleibe ich hier
für die kommende Nacht. Ich mache mich endlich über die Arbeit mit dem
Keilriemen: losschrauben der Lichtmaschinen- Halterung, ich lege 2x drei
große Unterlegscheiben dazwischen, und das ganze wieder festschrauben.
Anschließend die Lichtmaschine an der zweiten Befestigung so montieren,
dass ausreichend Spannung für den Keilriemen entsteht. Habe den
„Daumentest“ in der Erinnerung, d.h. mit dem Daumen soll man den
Keilriemen nicht mehr als die Daumendicke durchdrücken können. Bin
ebenfalls „gespannt“, ob das Quietschen jetzt ein Ende hat. Da ich schon
mal unten am Motor bin, gleich noch den Ölcheck ausgeführt: bisschen
nachfüllen ist notwendig, erstaunlicherweise ist das Getriebe noch voll;
wird sich doch nicht selbst abgedichtet haben – schön wär's ja. Am Ufer
der Bucht sind sehr verstreut Gebäude zu sehen, wenige kleine Bauernhöfe
und viele eher kleine Häuser. Schafe weiden, und zwei Kühe sind auch zu
sehen, das ganze spornt nicht zu einem Landausflug an. So verdrück' ich
mich bald ins Bett.
Um 8:00 Ankerauf. Heute sollte ich die Strecke bis
Stornoway schaffen. Der Wetterbericht ist jedenfalls passend. Und es
geht ganz passabel dahin. Zwei Stunden vorm Ziel wird der Wind aber
wieder unangenehm kräftig und drückt auch noch vom Süden her in meinen
Zielhafen. Per Funk melde ich mich an für einen Liegeplatz in der
kleinen Marina, aber mit meinen 12 Metern über alles bin ich zu lang. So
muss ich an einer richtig großen Yacht längsseits gehen, und das mit
auflandigem Wind, und die Yacht liegt an einem Ponton fünf Meter vor dem
Steinwall. Das wird heikel. Aber zu meinem Glück sind die Leute aus
Färöer auch hier, sie wussten per SMS, wann ich hier bin, und Hans eilt
quer durch den Ort zu meinem künftigen Liegeplatz, um mir Unterstützung
zu bieten. So zu zweit ist es dann kein Problem mehr, festzumachen, und
zwar um 19:20 (58 12'22''N, 6 23'13''W). Doch ist dieser Liegeplatz
direkt dem Wind und auch den Wellen, die sich quer über die Hafenbucht
aufbauen, ausgesetzt und ich liege noch dazu mit dem Heck zum Wind. Das
wird eine unruhige Nacht. Zunächst bin ich aber zum Essen auf die LUFFA
eingeladen, das ist Hans mit seiner Frau und einem Freund, alle aus
Färöer und bekannt seit Port Ellen. Sie haben schon das Wetter
recherchiert, am Montag sollen die richtigen Winde herrschen, und so
werden wir gemeinsam aufbrechen. Am nächsten Tag ist einer von der
„Elenca“,wie die große Yacht heißt und wo ich längsseit liege, da und
schlägt mir vor, doch mein Boot zu drehen. Erst bin ich skeptisch ob des
notwendigen Manövers bei den unveränderten Windverhältnissen, aber er
will mit einer dicken Trosse, die an meinem Bug befestigt wird, mein
Boot gegen das Abtreiben sichern und die Drehung einleiten, ich werde
rückwärts gegen den Wind fahren und dann soll der Wind die Drehung
unterstützen. So machen wir das dann auch. Leider fehlt der dritte Mann,
der mit einem Fender an die gefährdete Stelle springt. So prallen die
zwei Boote am Ende ungeschützt aufeinander, weil eben genau hier ein
Fender fehlt. Außer einem Lackschaden am anderen Boot und einer kleinen
Farbabsplitterung an meinem „Wasserspeiher“, ein sehr kurzes Rohr, das
das von Deck ablaufende Wasser von der Bordwand weghält und deswegen
übersteht, ist dann doch nichts passiert. Der andere sieht's auch
gelassen, es ist auch nicht die erste Beschädigung dieser Art an dem
Boot. Er organisiert damit Charterfahrten, und da geht’s offenbar auch
nicht immer schonend zu. Bis Montag habe ich also Hafentage. Zeit, um
die Klamotten zu trocknen, Einkäufe zu erledigen (möchte richtig auf
Vorrat bunkern, die nächsten Länder werden teuer sein), den Ort und die
Umgebung zu erkunden und auch mal Siesta halten. Habe hier am Liegeplatz
weder Strom noch Wasser, was ich verschmerzen kann, aber durch die Nähe
zum Wartehaus der Fähre WLAN for free bis in meine Kajüte, das ist auch
was wert. Zum Heizen nutze ich zum ersten mal auf dieser Reise meinen
Petroleum- Ofen statt sonst den Heizlüfter. Samstags geht es mit den
Färingern auf ein Guinness in einem Pub. Als Abfahrtstermin für die
Reise nach Färöer haben wir Montag Mittag beschlossen. So viel für
dieses Mal!
Bilder: Regenbogen über der Ankerbucht, Stornoway, unruhiger Liegeplatz im Päckchen
1.7.2013, Montag, Tobermory / GB
Mal wieder ein paar Neuigkeiten von mir: Die Sache mit dem Anlasser ist so ausgegangen, dass ich einen komplett neuen, kompatiblen Anlasser bekommen habe, dieser wurde am Montag bestellt und ist am Freitag eingebaut worden. „We live on an island“, das ist die Entschuldigung dafür, dass alles etwas längere Lieferzeiten hat. Sollte am Donnerstag schon kommen, aber da gab's so viel Nebel, dass der Flieger nicht flog. Aber ich bin ja schon froh, dass nicht noch ein Wochenende darüber verstreicht.
22.6.2013, vorheriger Samstag, Port Ellen.
Nach der Diagnose des
Mechanikers habe ich einen Anflug von Arbeitswut: ein Batterielader wird
so umgestellt, dass er zwei Batterien laden kann, dann von diesem Lader
eine Leitung unter die Sitzbank zu meiner bisher ungenutzten Batterie
verlegt. Diese Batterie soll in Zukunft zum Antrieb des Beibootes
dienen. Der dazugehörige Elektro- Außenborder bekommt eine Halterung am
Beiboot und eine erste Testfahrt durchs Hafenbecken ist erfolgreich. Den
Bau einer Batteriehalterung fürs Beiboot verschiebe ich auf später. Eine
Inspektionsluke für die Welle bzw. Wellendichtung habe ich auch noch in
den Boden hinter dem Niedergang eingebaut, ich glaube, da sollte ich
öfter einen Blick drauf werfen.
Am Mittwoch bin ich spontan von meinem Mechaniker zum Fischen
eingeladen. Mit seinem Boot fahren wir zu den vorgelagerten Inseln und
Untiefen raus. Als Anfänger habe ich als erster einen Fisch an der
Angel. Später hole ich noch einen Dorsch ins Boot, den ich als
Abendessen behalten darf. Dann geht’s noch zu seinen fünf Hummerkörben,
aber nur ein Hummer ist in die Falle, viele kleine Krabben und ein paar
Seeigel, die wieder ins Wasser zurück dürfen, und zwei große Krabben,
die an Bord bleiben müssen.
Am Donnerstag zu einer Whiskey- Verkostung nach Lagavulin geradelt. Auf
nüchternen Magen merkt man die Prozente ganz gut, obwohl die verkosteten
Mengen eher klein sind. Eine Probe hatte immerhin 52%! Zum Ausgleich
noch zum American Monument, einem Steinturm mit Gedenktafel, an das
südöstliche Kap von Islay geradelt, in immer dichterem Nebel taucht es
erst in 50 Meter Abstand auf. Es erinnert an amerikanische Seeleute und
Soldaten, die hier am Kap 1918 beim Untergang ihrer Transportschiffe
Tuscania und Otranto ums Leben kamen.
Am Freitag bin ich auf einen „Info- Abend Island“ auf das Nachbarboot zu
Karla und Frank eingeladen. Das deutsche Paar hat letztes Jahr in drei
Monaten Island umrundet. Sie lassen die Reise nochmal Revue passieren
und ich erhalte dabei wirklich viele, viele Informationen über Häfen,
Ankerbuchten und Sehenswürdigkeiten aus erster Hand. Mal sehen, wie
viele Infos ich in meiner begrenzten Zeit ausnutzen kann
29.6.2013, Samstag, Port Ellen.
Um 11:20 ablegen. Das klingt jetzt spät,
ist aber OK, wenn man mit der richtigen Strömung durch den Sound of
Islay will. Diese setzt heute um ca. 16:30 in meine Richtung ein, und
die restliche Zeit brauche ich ungefähr, bis ich dort bin. Anfangs habe
ich nur wenig Wind und komme mit einstündiger Verspätung an die Einfahrt
des Sounds, doch mit den starken, aber böigen Winden, die hier vom Ufer
„herunterfallen“, kann ich Zeit gutmachen. Um 18:00 bin ich auf Höhe der
Fährverbindung (55 50'54''N, 6 5'50''W) zwischen den beiden Inseln Islay
und Jura, und es herrscht Windstille! Aber es gibt ja noch die Strömung,
und so treibe ich mit ca. 4 kn vorbei. Kurz danach setzen wieder die
Fallböen ein. Ist die Fährverbindung extra an dieser windstillen Stelle,
oder ist's Zufall? Ich stelle mal mein GPS auf Anzeige der maximal
erreichten Geschwindigkeit über Grund und staune wenig später über 10,7
kn. Die Hälfte davon habe ich der Strömung zu verdanken. Und weil's
heute gar so gut geht, beschließe ich, bis Tobermory durchzufahren,
anstatt wie erst geplant, einen Ankerstopp einzulegen. Somit kann ich
einen Tag einsparen. Auf den zum Atlantik hin ungeschützten Abschnitten
kann ich mit gerefften Groß- und Genuasegel gute Geschwindigkeiten
halten, da macht das Segeln mal richtig Spaß. Fahre „hinter“ der Insel
Colonsay vorbei, um bei weniger Wellengang mein Abendessen zu kochen:
einen Topf Milchreis. Leider übersehe ich, dass das ganze überkocht,
jetzt habe ich eine ordentliches Sauerei in meiner Küche. Weiter geht es
an der Westseite der Insel Mull entlang, der Wind hat auch zugelegt, bin
nur noch mit dem 3.Reff im Großsegel unterwegs. Nunja, für „später“
haben sie Wind bis 7 Bft. vorhergesagt (wann immer auch „später“ ist?),
und da bin ich doch froh, als ich in den Sound of Mull „abbiegen“ kann.
Dort habe ich gleich wieder mit Fallböen zu tun, aber das Boot giert in
den Böen in Richtung Wind, dabei wird den Böen etwas die Wucht genommen.
Das funktioniert ganz gut, solange die Böen nicht lange anhalten. In die
Bucht von Tobermory hinein habe ich dann Gegenwind, so geht es mit
Motorkraft in den Endspurt. Zum Glück ist am Anleger in der Marina von
den Winden nicht mehr viel zu spüren und ich kann um 7:40 ohne Probleme
festmachen (56 37'12''N, 6 3'56''W – die Steganlagen sind mittlerweile
vergrößert!). Insgesamt waren das 91 Seemeilen in ca. 20,5 Stunden, das
ist ein Schnitt von ca. 4,5 kn, das heißt, die Trödelei bis zum Eingang
des Sound of Islay habe ich mit den guten Winden später nicht mehr
wettmachen können, obwohl auf der restlichen Fahrt die
Geschwindigkeitsanzeige selten unter 6 kn ging. Aber ich bin ja auch
nicht in einer Regatta, also egal! Und ich bin auf diesem Abschnitt an
insgesamt fünf Whiskey- Destillerien auf Islay vorbeigesegelt. Nach ein
paar Stunden Schlaf nachholen geht’s in den Ort, an der Uferpromenade
nur touristische Läden und Restaurants, aber die Gebäude sind wenigstens
im ursprünglichen äußeren Bild, da wurde nichts auf modern renoviert. So
wie der Ort in seiner Bucht liegt, ist das das perfekte
Postkartenpanorama. Viele Häuser sind mit richtig kräftigen Farben
gestrichen, das ergibt eine bunte Ansicht. Auch einen
Schiffszubehörhändler finde ich, montags ordere ich hier endlich die
Island- Seekarten. Mit Glück sind diese am Dienstag schon hier, dann
geht’s gleich weiter Richtung Stornoway, der letzte Hafen vor der
Überfahrt zu den Färöer Inseln. Per SMS haben die Färöer (vom
Nachbarsteg in Port Ellen) ihre Ankunft in Tobermory für Dienstag morgen
angekündigt, da werde ich die noch treffen können, bevor es für mich
weitergeht. Das war's nun auch schon wieder mit den Neuigkeiten von Bord!
Bilder: Tobermory und Blick über die Bucht, Dorsch selbstgefangen PS: für alle neu hinzugekommenen Leser: die Koordinatenangaben in den Klammern können per Copy&Paste in Google Earth© ins Suchfeld eingefügt werden, man landet dann genau an ebendieser Position.
22.6.2013, Samstag, Port Ellen / GB
10 Tage keine Nachrichten von mir, ich hoffe, da hat niemand Entzugserscheinungen! Aber hier geht es chronologisch weiter mit den Berichten:
12.6.2013, Mittwoch, Howth.
Etliche Bordarbeiten erledigt, als da wären: Ölservice, die Wanten endlich mal nachgespannt, den Backbord- Wassertank aufgefüllt und spätnachmittags das Großsegel, das der Segelmacher jetzt mit Segellatten nachgerüstet hat, montiert. Dazu hat's wieder mal geregnet, den kräftigsten Schauer hab ich aber unter Deck abgewartet, bin halt doch bisschen wasserscheu!!
13.6.2013, Donnerstag.
Soll man an einem 13ten überhaupt rausfahren? Ich werde das mal testen! Zuvor die fast leeren Dieseltanks gefüllt: 215 Liter. OK, das letzte Tanken war im August letzten Jahres, man reicht doch eine ganze Weile mit dieser Menge, ich muss die aufgelaufenen Motorstunden dazu mal raussuchen. Trotz dem 13ten komme ich unter Segel gut voran, um 20:40 wechsle ich die Gastlandflagge von Irland auf Großbritannien. Dem späten Aufbruch ist die späte Ankunft geschuldet: um 00:45 lege ich in der Marina Ardglass an (54 15'43''N, 5 36'21''W).
14.6.2013, Freitag, Ardglass.
Der vorhergesagte Sturm aus Süden ist tatsächlich da, draußen bläst's mit bis zu 7 Beaufort, da bleibe nicht nur ich in der Marina, heute ist keiner rausgefahren. Zeit, die Ortschaft zu erkunden, und ein paar Gespräche mit Bootsnachbarn ergeben sich ebenfalls. Von einer Crew aus der Nähe Glasgow kann ich mir die Schottland- Führer ausleihen, und daraus mach' ich ein paar Fotos von Orten, die für mich interessant sein könnten.
Als Tagesziel ist heute Belfast ausgegeben. Ist immer noch ziemlich windig, die aus Glasgow machen einen Versuch, nach Süden zu kommen, sind aber bald zurück, gegen den Wind und gegen die Wellen ist es nicht sinnvoll. Am Steg wird diskutiert, ich will ja nach Norden, da wird mir zugeraten, loszufahren. Schnell noch die letzten Vorräte eingekauft, und um 13:15 heißt es: Leinen los! Erst geht’s noch wild her, aber mit jeder halben Stunde wird der Wind flauer, bis ich um 18:15 tatsächlich den Motor brauche, um vorwärtszukommen. Um 22:20 bin ich am Eingang der Fahrrinne rein nach Belfast. Diese ist zwar mit Leuchtfeuern gekennzeichnet, aber in der Nacht und gegen die Stadtlichter sind diese wieder mal schwer zu erkennen. Offenbar falle ich dem „Port Control“ auf, wie ich da auf der Dickschiffroute mit meinem „Small Craft“ mitmische, und ich werde von einem „Pilot“ (Lotsenboot) durch die verkehrsreichste Zone des Hafens geleitet. Endlich um 00:10 bin ich in der Marina Apercorn, ziemlich zentral in Belfast (54 36'18''N, 5 54'53''W), angelangt. Die folgenden zwei Tage sind mit Besichtigungen von Belfast ausgefüllt. Hier wurde ja die Titanic gebaut, und deshalb gibt es hier das „Titanic Belfast“, ein Ausstellungs- oder Museumsgebäude, in das sie sämtliche Multimedia-Möglichkeiten reininstalliert haben, die zu haben sind. Mir ist das, ehrlich gesagt, zu viel des Guten, es gibt sogar eine kurze Gondelbahn durch die nachgestellte Werkshalle. Und überall werden akustische Erklärungen gemacht, untermalt mit den dazugehörenden Arbeitsgeräuschen. Da schaltet man irgendwann einfach ab, zumindest mir geht’s so bei so vielen unterschiedlichen Eindrücken. Dann lasse ich mich mit den Menschen durch die Straßen von Belfast treiben, Fußgängerzone, Parks, paar alte Gebäude. Zur Zeit ist auch der G8- Gipfel hier, das Hilton z.B. ist schwer bewacht und weiträumig abgeriegelt und zeitweise werden Hauptstraßen abgesperrt, damit die hohen Herren sicher an Ort und Stelle kommen.
18.6.2013, Dienstag.
Mal sehen, ob ich heute selber fahren darf, oder ob wieder ein „Pilot“ Begleitung macht. Um 9:15 geht’s los, melde meine Abfahrt per Funk an den Port Control, soll da weiter auf dem Funkkanal mithören, und sie werden mich ansprechen, wenn ich was besonderes machen soll. Jetzt am Tag ist es natürlich einfach, durch den Hafen zu finden, und ich komme ohne Begleitung durch die Fahrwasserrinne ins offene Meer. Von der Marina, die am Ende des Hafens liegt, brauche ich 1,5 Stunden unter Motor bis zur Ausfahrtsboje der Fahrrinne, die sinnigerweise Fairway heißt. Um 12:00 bin ich soweit aus der Bucht von Belfast heraußen, dass ich den Wind nutzen kann. Der hält bis ca. 17:00 durch, ab da ist er so schwach, dass ich mit der Strömung zurückfahre. Also Motor an bis zur Marina in Glenarm, wo ich um 19:00 festmache (54 58'11''N, 5 57'04''W). Für das Zugangstor der Marina braucht man so eine Art RFID- Chip, leider ist der Hafenmeister schon im Feierabend. Zum Glück sind die netten Leute aus Glasgow auch hier, und die leihen mir ihren Chip, so kann ich noch eine Runde durch den Ort drehen. Sie selber sind am Boot beschäftigt, es hat sich ein Frischwasserschlauch gelöst und sie haben jetzt 200 Liter Wasser statt im Tank etwas tiefer in der Bilge.
19.6.2013, Mittwoch.
Gestern noch mit den Glasgowern den besten Zeitpunkt zum Runden von Fair Head bzw. die Durchfahrt durch den Rathlin Sound ausgerechnet, dieser wäre um 11:00. Deshalb heute „schon“ um 9:15 ablegen, ist trotzdem schon ein bisschen zu spät. Versuche, etwas zu segeln, aber der Wind ist zu schwach für die heute notwendige Geschwindigkeit, so starte ich eine Stunde später wieder den Motor. Um 12:20 bin ich mitten im Rathlin Sound, hier ist die Strömung in der Richtung noch OK, aber zum Ausgang zu könnte es knapp werden, dass ich die einsetzende Gegenströmung schon abbekomme. Ich schaffe es dann doch ganz gut durch, später schlängele ich mich an der Küste entlang, da ist die Gegenströmung geringer, und mit der Entfernung zum Rathlin Sound auch schwächer. Außerdem komme ich so nahe an „Giants Causeway“ und an der Ruine von „Dunluce Castle“ vorbei, zwei der Hauptattraktionen dieser Gegend hier. Der Herrscher der Winde erlaubt mir, noch eine Stunde zu segeln, dann bin ich in Portrush angelangt. Neben der Hafenmauer, welche wegen des Tidenhubs nicht zu Seglers Liebling gehört, gibt es einen Schwimm- Ponton für genau drei Yachten, und ich bin die dritte. Es sollen noch 5 Meter frei bleiben für Ein- und Ausladeaktivitäten der örtlichen Fischer und von Touri- Booten, und da rage ich jetzt rein. Aber gemeinsam mit den anderen Seglern rücken wir die Boote enger zusammen, und schon passt's auf den Zentimeter. Leider ist Portrush ein steriler Hotelort, ich finde nicht ein Photomotiv bei meinem Rundgang. Kein alter Ortskern, nichts heimeliges, hinter jeder Hausfassade, auch wenn sie alt oder auf alt gemacht ist, steckt ein Hotel. Einzig ein paar alte Kirchenbauten gibt’s, doch selbst die darum angelegten Gärten wirken steril. Aber das Boot ist sicher angebunden, und das erlaubt mir einen ruhigen Schlaf, das ist mir das Wichtigste.
20.6.2013, Donnerstag.
Heute soll's nach Port Ellen gehen, der erste Hafen Schottlands. Vorher noch den Pontonplatz bezahlen, der Hafenmeister ist furchtbar nett, er ist erst seit drei Tagen „im Amt“ (Rentnerjob, früher war er als Kapitän unterwegs), ich darf an seinem Computer die neusten Wetterdaten anschauen, bis er den Safeschlüssel findet, um mir das Wechselgeld zu geben. Dann ablegen, die anderen zwei Yachten sind schon unterwegs. Um 11:00 fängt es an, zu regnen, um 12:00 zwar kein Regen mehr, aber auch kein Wind. Ich sitze das aus, und nach eine Stunde hat der Wind ein Einsehen und ich kann bis fast Port Ellen segeln. Für die Hafeneinfahrten brauche ich eh immer den Motor, heute eben eine halbe Stunde früher. Um 19:30 mache ich die Leinen fest (55 37'39''N, 6 11'18''W).
21.6.2013, Freitag, Port Ellen.
Falls Ihr meint, jetzt ist ihm aber schon lange nichts mehr passiert: hier ist das Neuste in dieser Richtung: wollte den Motor starten zum Ablegen, aber die Betonung liegt auf „wollte“. Da rührte sich nämlich nichts! Also gar nichts, das könnte was Elektrisches sein. Nach drei Stunden herummessen und Ausbau des Anlassers weiß ich nicht mehr weiter: es fliegt immer eine 10 A Sicherung für den Magnetschalterstrom, der vom Zündschloss kommt, die Leitungen sollten OK sein, irgendwas ist faul mit diesem Magnetschalter. Ich frage also einen Fischer nach einem Mechaniker. Dieser organisiert mir einen, der morgen früh nachschauen will. Schon habe ich wieder mal Zeit für einen längeren Landausflug: ich hole mein Radl aus der Backskiste, wechsle noch schnell das Schaltungsseil und radle dann an der Küste entlang zum Kildalton Celtic Cross. Dieses wurde vor ca. 1300 Jahren erstellt und ist eines der besterhaltenen und feingestalteten christlichen Ringkreuze. Die Historiker vermuten hier einen bedeutenden christlichen Ort für viele Jahrhunderte. Obgleich keine Reste gefunden wurden, wird hier ein Kloster vermutet. Jetzt ist die Ruine eines Kirchengebäudes zu sehen. Auf dem Kreuz sind diverse biblische Motive dargestellt, wie z.B. die Ermordung Abels durch Kain. Gleich daneben ein SB- Cafe: in einer Kühlbox gibt es verschiedene Kuchen, drei Thermoskannen mit heißem Wasser für Tee (Beutel) oder Kaffee (Brösel) stehen auf dem Tisch, in einer weiteren Plastikbox ist Geschirr und das bisher bezahlte Geld ist in einer kleinen Plastikbox gut sichtbar daneben aufgestellt. Weit und breit ist nicht einmal ein Haus zu sehen, ganz zu Schweigen von einer Menschenseele. So etwas stelle ich mir mal in Deutschland vor: von rechtlichen Dingen wie überwachte Hygienebestimmungen bis zu dem, wie manchen Menschen bei uns mit unbewachten Installationen umgehen, eigentlich schlicht undenkbar. Ich lasse mir jedenfalls Kaffee und einen Kuchen schmecken, allein schon wegen dieser Idee, hier so etwas aufzuziehen. Auf dem Weg zu diesem Celtic Cross liegen drei Destillerien, auch die bekannte Lagavulin Distillery. Zum Besichtigen habe ich mir eine andere ausgesucht, die weiter im Norden liegt. Jetzt zum Abend hin ist eine Schlechtwetterfront herangezogen, es regnet, da kann ich in Ruhe diesen Bericht schreiben.
22.6.2013, Samstag, Port Ellen.
Der Mechaniker hat festgestellt, dass tatsächlich der Magnetschalter defekt ist. Wie immer gibt es mehrere Möglichkeiten: einen kompletten Anlasser von Yanmar (3 Monate Lieferzeit), nur den Magnetschalter (noch keine Lieferquelle, aber Preis: £390) oder einen Schalter von Hitachi (eventuell Dienstag hier, noch kein Preis). Nach dem eingeprägten Symbol war es bereits ein Hitachi- Magnetschalter. Am Montag weiß ich mehr. Oder ich verfahre in Zukunft nach der Methode „Max Moser“: einfach die Anschlüsse mit einem Schraubenschlüssel brücken, funkt ein bisschen, aber man kann starten. Dazu müsste ich aber immer die Bodenplatte weglassen, ist auch blöd, wenn da was reinfällt, speziell kleine Dinge wie Schrauben, das findet man schlimmstenfalls wieder, wenn es das Boot mal auf den Kopf stellt (was tunlichst zu vermeiden ist!)
Bilder: Titanic Belfast, Celtic Cross, Abendstimmung